Mit Alla und Olja in der BaikalBahn
"Я очень мало говорю по-русски, но я изучаю русский язык." -
"Ich spreche sehr wenig Russisch, aber ich lerne die russische Sprache."
Wer auf Reisen geht, kann ja bekanntlich was erleben und egal ob man nun sozial aufgeschlossen oder eher einsiedlerisch sein Leben gestaltet, wird man in der Fremde gesehen, wahrgenommen und angesprochen oder man geht aus Interesse oder weil man den Weg nicht weiß, selbst auf die Einheimischen zu.
Als mein Entschluss nach Russland zu reisen und mein ungefähres Reisedatum feststanden, beschloss ich ein paar Worte Russisch zu lernen, weil ich nicht wusste, ob und wieweit ich mit den Sprachen die ich beherrsche oder mit denen ich mich auszudrücken vermag, weiterkomme. Ich rief also das in Bonn ansässige Russische Institut an und fragte, ob es die Möglichkeit des Online Unterrichtes gibt, um einen «Crash Kurs» Russisch für Anfänger zu buchen.
Ja, die Möglichkeit gab es und seit dem lerne ich mit Oksana, einer Russin die sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in ein stattliches Exemplar seines Volkes verliebte, heiratete und nun hier lebt, russisch. Oksana bestätigte meine Vermutung, dass es schon besser wäre, ein wenig Russisch zu sprechen, wenn man nach Russland fährt. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie, als ich ihr meine Reisepläne tief ins Land mitteilte, ein wenig besorgt war. «Mit Englisch kommst du da nicht weit», meinte sie, «vielleicht noch eher mit deutsch». Ich antwortete ihr fröhlich: «Na das ist doch prima! Dann habe ich endlich mal meine Ruhe und wenn ich gezwungen bin Russisch zu sprechen, dann lerne ich es ja auch schneller.» Das ist bei mir immer so. Wenn ich erst mal einen Entschluss gefasst habe, dann kann mich jedwede Fremdsorge oder Zweifel mal gerne von hinten angucken. Rumi's weise Worte: «Wenn du eine Reise machst, lass dich nicht von denen beraten, die ihr Zuhause nie verlassen haben.», habe ich schon vor geraumer Zeit verinnerlicht. Das trifft natürlich nicht auf Oksana zu, aber auf ein paar Leute, die mich bis kurz vor meiner Abreise noch umstimmen wollten:
«Was willst du denn ausgerechnet in Russland?»
Mir das Land anschauen, Urlaub von Deutschland machen, für mein Buch recherchieren, Tee und Kräuter probieren und sammeln, eine Matroschka für meine Sammlung suchen.
«Aber da ist doch Krieg!»
ERSTENS: Hier ist auch Krieg! Und für mich gesprochen, ein noch viel gefährlicherer, weil er nicht so offensichtlich ist, aber er zertrümmert und verwüstet die Seelen und den Geist.
ZWEITENS: «Die Kugel – im materiellen oder im metaphorischen Sinne - die für dich bestimmt ist, findet dich überall.»
& und zu guter Letzt mal wieder. Das darf ja nicht fehlen...
«Du, allein, als Frau?!?»
Sieh mir in die Augen und finde da irgendetwas, was nicht bereit ist für sich einzustehen und für sich zu kämpfen. Gut, wenn es um meine Geldbörse geht, bitte, die gebe ich kommentarlos, aber wenn mich jemand anpackt, ohne das ich das will, und ich zudem einen schlechten Tag habe, könnte es ein Kampf auf «Leben und Tod» werden. Diese Schwingungsebene an mir, hat mir persönlich schon ein paar mal selbst Angst eingejagt, aber sie hat «gewirkt» und geholfen...
Das ist im Übrigen auch einer der Gründe, warum ich diese ganze Thematik über Diversität als irre machende Ablenkung von den eigentlich wichtigen Themen dieser Welt verstehe. Ich habe mich bis jetzt und werde es auch weiter tun, versucht von innen nach außen empirisch zu ergründen und bis auf auf Kleinigkeiten, die mich an mir nerven, akzeptiert. Dabei heraus gekommen ist, dass ich eine facettenreiche und attitüdenreiche FRAU bin – also ich bin divers und ich glaube, zu einem gewissen Grad ist das jeder Mensch. Aber das spielt sich in meinem Inneren ab und projiziert sich dann erst nach außen. Und wenn ich zu mir stehe, weil ich mich erforscht, ausprobiert und geheilt habe, kann mir das doch egal sein, wie mich meine Außenwelt wahrnimmt. Dieses ins Extreme fallen, Männer in Kleidern, Make-Up und Stoppelbart, zum Beispiel, liegt meiner Meinung nach daran, dass manche Menschen von ihrer Außenwelt eine Akzeptanz einfordern, die sie sich selbst nicht entgegen bringen können, weil sie nicht den Mut haben oder es ihnen einfach zu anstrengend ist, nach innen zu schauen und ihre Antworten stattdessen im Außen erwarten.
Was ich damit sagen will, ist, es gibt eben Tage, an denen ich ohne möglichst exakt geformte Augenbrauen und meinen roten Lippenstift selbst bei Bombendrohung niemals das Haus verlassen würde, dann während der Gartenperiode, gibt es Tage, da sehen nicht nur meine Hände aus, als würde ich auf dem Bau arbeiten und so fühle ich mich dann auch und es gibt Tage und Nächte, an denen ich scheinbar überhaupt nicht «zuhause» bin, Tag und Nacht schreibe, nur im Vorbeigehen mal an einer Möhre knabbere, im Badezimmer fast nur die Toilette benutze und dort wenigstens mal das Shirt wechsle, mal bin ich eher pfeffrig unterwegs und mal süßlich milde, mal stemme ich Heuballen und mal ist mir der Wäschekorb zu schwer. UND FÜR MICH IST DAS SO IN ORDNUNG! Und falls das jemandem UNNORMAL erscheint und er daraus ein weiteres Zwischending-Geschlecht basteln möchte, würde ich an «guten Tagen» wahrscheinlich sagen: «Oh Güte, mach das bloß, du armes Ding, bevor du dich in deinem Leben noch zu Tode langweilst.»
Als ich vor Jahren mal in Monterrey, Mexico mit einer schlabberigen Jeans, einem weiten T-Shirt, einem Basecap und voll bekleckst mit Farbe und Spachtelmasse aus der Kunstschule kam, grölte ein Mexikaner lachend über die Straße: «Hombre o mujer?» (Mann oder Frau?). Es war einer dieser oben erwähnten «schlechten Tage» und ich brüllte zurück: «Chinga tu madre!» (ich lasse das jetzt mal spanisch so stehen. Ist lange her).
Auf Sri Lanka hingegen, umgarnte, umflatterte und umschwirrte mich mal, ein scheinbar von mir beeindruckter Hotelier, er lobte meine, von ihm so wahrgenommene Eleganz und Feinsinnigkeit, lud mich ein und wollte mich mit den Köstlichkeiten der Insel und Champagner dazu motivieren mit ihm in seine Residenz in der Schweiz zu fahren. Er meinte, ich wäre dann dort seine «PalastPrinzessin». Ich tat geschmeichelt, lächelte entzückend und antwortete, dass das nicht das Richtige für mich sei. Ein Vögelchen im Käfig singt ja bekanntlich auch nicht mehr so gerne und aus voller Brust (nee, um mich in romantische Verzückung zu bringen, braucht es schon mehr als Freuden für den Gaumen, die Etage da drüber, und ich meine hier jetzt nicht Nase, Auge und Ohren, muss auch auf seine Kosten kommen). Der Antagonist in meinem persönlichem Spektrum jedenfalls hätte ihm aber am liebsten die mexikanische Variante geantwortet...
Na ja, zurück nach Russland und zum Thema des Artikels: Дружба – Freundschaft. Aber vielleicht oder sogar unbedingt ist «Druschba» mit sich selbst überhaupt die Voraussetzung für die Freundschaft mit anderen und das meine ich im Kleinen wie im Großen.
Schon fast zum Ende meiner Reise und nach ungefähr 9000 zurück gelegten Kilometern auf Schiene und Straße, stellte sich bei mir eine gewisse Trägheit ein und der Drang es mal ein wenig gemütlicher angehen zu lassen, um zu beginnen, dass erlebte zu verarbeiten. Sprich mein Geist war der Meinung: «Nun mach mal Pause und lass mich mal ran.» Dazu bot sich die Fahrt mit der BaikalBahn von Sludyanka nach Port Baikal und wieder zurück an.
Die BaikalBahn ist ein Relikt, und zwar ein ganz wundervolles und gern genutztes, aus der Zeit des Baus der TransSibirischen Eisenbahn. Sie entstand zwischen 1902 und 1904 und war baulich gesehen, aufgrund des Baikalgebirges, das in dieser Gegend dem BaikalSee sehr «nahe steht», wohl eine wahrlich große physische und architektonisch Herausforderung.
Um nämlich die gigantische Strecke durch ganz Russland von Moskau bis Wladiwostok überhaupt bauen zu können, musste für bestimmte Streckenabschnitte erst einmal Infrastruktur geschaffen werden, um die Arbeiter und das Baumaterial für die Abschnitte heran schaffen zu können.
Die BaikalBahn war eine dieser Zubringer. Sie schlängelt sich sehr gemächlich, nämlich mit ganzen 20 Stunden/Kilometer entlang des südwestlichen Ufers des Baikals. Die zu überwindenden 86 Kilometer schafft sie in 4 Stunden Fahrtzeit.
Von Sludyanka kommend hat man dann zur Rechten einen überwältigenden Blick auf den schönen See und zur Linken auf die Höhen und Felsen des Baikalgebirges. 38 mal wird es dabei dunkel und zwar dann, wenn die Bahn in eben dieser Anzahl von Tunneln verschwindet.
Die gemütliche Geschwindigkeit und der weit schweifende Ausblick, wohin auch immer, waren nun, so dachte ich, genau das Richtige für meine ermüdete Materie und meinen arbeitshungrigen Geist. Doch es kam anders, zu mindestens auf der Hinfahrt. Ich fand in Sludyanka nicht auf Anhieb den Bahnhof. Vor mir liefen zwei Frauen und ich dachte: «Ach, frag doch mal.» Beide lauschten meiner Anfrage lächelten, mit diesem eigentümlichen satten und ausgiebigen Lächeln mit Mundwinkeln bis hoch an die Ohren gezogen, welches mir in den drei Wochen Russland schon öfter aufgefallen war, wenn ich jemanden mit meinem Anfänger-Russisch ansprach. Bei: «Пожалуйста, извините меня! У меня есть вопрос.» - Entschuldigen sie bitte! Ich habe eine Frage., hatte ich jedenfalls zumeist schon den ersten Lacher auf meiner Seite. Ich bin dem nicht auf den Grund gegangen, ob meine Aussprache jetzt eher komisch oder witzig klingt, was dieses spezielle Lächeln auslöst oder ob es eher grauenvoll klingt, eine Beleidigung für die russische Sprache ist und mein russisches Gegenüber eher aus Höflichkeit lächelt, um nicht die Stirn kraus zu ziehen und den plötzlichen stechenden Zahnschmerz zu überspielen. Я не знаю...
Der Einzige, der es nicht lächelte – dieses besondere Lächeln – war der Grenzbeamte, der mich an der litauisch-russischen Grenze in ein graues Stübchen bat, meine Papiere kontrollierte und mich nebenbei über die Absichten meiner Russlandreise befragte. Er merkte wohl, dass mir nicht recht wohl war. Als er mich aus dem Wartesaal aufrief, wir durch einen grauen Behördenflur gingen, fingen meine Knie plötzlich an zu zittern und ich hatte ein kurzes Deja Vù an eines meiner Stasi-Verhöre. Lag wohl an der Innenarchitektur und Flurgestaltung. Na ja, aber nach der Hälfte des Flures war ich wieder in der Wirklichkeit angekommen. Keine Ahnung, warum das da passierte. Im besagten Stübchen angekommen, war noch ein zweiter Beamter und Herr Putin, in Form eines gerahmten Porträts zugegen, Ich grüßte beide, den einen hörbar, den anderen nicht und wurde irgendwie ruhiger. Ich plapperte also auf Russisch los, dass ich sehr wenig Russisch spreche, aber die russische Sprache lerne und überhaupt nichts zu verzollen habe. Der Beamte fragte auf Englisch, wohin denn die Reise gehen solle, ich - nicht nur stolz auf meine Anfänger-Russischkenntnisse, sondern auch weil ich fand, dass sich das so gehört, antwortete auf Russisch, dass ich von Moskau bis Ulan Ude mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren möchte, in Ulan Ude das Buddhistische Zentrum besuchen möchte und dann dem Baikalsee, seinen Schamanen und seinen Heilkräutern meine ganze Aufmerksamkeit schenken möchte. Er fand das gut: «Kрасивый!» - Wie schön! So ging das nun eine Weile. Irgendwann hörte er auf mich englisch zu befragen, da ich ja sowieso russisch antwortete (egal wie schmerzhaft das für ihn sein mochte, da musste er durch). Er wollte auch wissen, ob ich Olaf Scholz gut finde. Ich antwortete wahrheitsgetreu und dachte mir: «Wieso gerade den? Der hat doch eh nichts zu melden.», aber das ist in Russland nun mal anders, die oberste Instanz ist da auch die entscheidende Instanz. Aber egal. Zum Ende der Plauderei fragte er noch, wie lange ich schon Russisch lerne, ob 1, 2 oder 3 Jahre. Ich antwortete wieder wahrheitsgetreu: «два месяца» - zwei Monate und er antwortete wieder auf englisch: «Wow, thats taff!» und lobte mich. Ich freute mich wie ein kleines Schneiderlein und dachte triumphierend und als hätte sich der Kampf für mich entschieden an Oksana, meine Russischlehrerin, die verzweifelt und bis lang ohne Erfolg versucht hat, mir in den Lektionen, die richtige Aussprache vom russischen «ы» - einem schriftlich nicht wiederzugebenden Kehllaut, etwa iui, uij oder uji, wie zum Beispiel in «Добрый вечер» guten Abend, beizubringen. Das ging dann bisher so von statten, dass wir minutenlang am jeweiligen Ende unsere Computer mit besagtem Buchstaben anschrien, Oksana nie zufrieden war und ich irgendwann lösungsorientiert, mit schmerzendem Kehlkopf und ein bisschen bockig beschloss: «Dann sage ich eben nur noch Здравствуйте, so...!»
Die beiden Frauen am Bahnhof, Alla und ihre Schwester Olja, waren mir aber wirklich zugetan und reagierten mit ihrem Lächeln nicht auf meine Aussprache, sondern auf mich als Mensch. Der Zufall wollte es, dass die beiden ebenso wie ich mit der BaikalBahn nach Port Baikal fahren wollten, zeigten mir nicht nur den Bahnhof, sondern boten mir auch ihre Reisegesellschaft an.
Im Bahnhof selbst, haute mich wieder einmal, die russische Gastfreundschaft und Fremdenfreundlichkeit beinahe um, denn so tapsig und unbeholfen kann weder meine Erscheinung noch mein Russisch sein, dass ich völlig hilflos herüber komme. Am Schalter jedenfalls stellte ich mich brav an und kaufte als ich dran war eine Fahrkarte nach Port Baikal туда и обратно hin und zurück. Ich musste mit einem relativ großen Schein bezahlen, was nicht gerne gesehen wird, da die Russen eigentlich alles per App oder mit Karte bezahlen. Die Dame blieb aber freundlich, verschwand in einen hinteren Raum oder ein Büro kam mit dem Wechselgeld zurück und überreichte mir dieses zusammen mit der Fahrkarte. Sludyankas Bahnhof ist eigentlich dem Ort angepasst recht überschaubar, jedoch gibt es, wenn ich mich recht erinnere über 20 Gleise, die für den Güter-,Öl- und Kohletransport nicht nur gebraucht werden sondern auch fleißig Tag und Nacht befahren werden. So fragte ich lieber noch, von welchem Gleis die Baikalbahn nun startet. «Kommen sie! Kommen sie! Ich begleite sie zum Bahnsteig.» Ich dachte zwar, ich hätte mich verhört oder nicht richtig verstanden, da gab es ja auch noch andere die eine Fahrkarte wollten, aber ich lag richtig. Die Dame schloss den Schalter, zog sich eine Strickjacke an, verschwand und kam aus irgendeiner Tür in die Bahnhofshalle geflitzt. Etwas verschämt und mit gesenktem Blick, machte ich lieber das ich wegkam vom Schalter und den hinter mir nun Wartenden und eilte der Frau nach. Aber, die FahrkartenBegierigen hatten Glück, denn da waren ja noch Alla und Olja, die es offensichtlich ernst gemeint hatten mit der Reisebegleitung und vor dem Bahnhof auf mich warteten. Sie erklärten der fürsorglichen FahrscheinVerkäuferin, dass sie sich nicht zu kümmern brauche und sie mich zum Zug bringen würden und nahmen mich in die Mitte. Ich bedankte und verabschiedete mich herzlich von der Schalterfrau und ging mit den Frauen. Irgendwie war mir der ganze Umstand zwar einerseits unangenehm, andererseits fühlte ich mich mütterlich behütet und brauchte mir ÜBERHAUPT keine Sorgen zu machen.
Zum Schalterpersonal im Bahnhof von Sludyanka kann ich überhaupt nur eins sagen: «Eine Wucht!», denn als ich zu guter Letzt meine Rückfahrkarte für die Transsibirische Eisenbahn nach Moskau buchte, dauerte das eine gefühlte halbe Stunde, die Wartenden hinter mir kamen mir bereits bedrohlich nahe, sie hatten wohl Sorge ihren Zug zu verpassen. Ich sagte gegen Ende des Verkaufsgespräches und nach dem die nette Dame, nur um sicherzugehen, dass ich ja alles verstanden hatte, zum zweiten mal all meine Leistungen an Bord, die Lokalisation der Waschräume und des Restaurantwaggons, die Anzahl der Stewardessen, die ich jederzeit aufsuchen könne, und etliches mehr, nur noch «Да!» Dann machte sie sich plötzlich Sorgen um meine Anschluss- und Weiterreise in Moskau und empfahl mir eine Reiseversicherung für die Zugfahrt, nur falls was schief ginge. Ich sagte auch dazu schnell «Да!», obwohl ich auf meiner Hinfahrt bei 5500 Kilometern nicht eine einzige Minute Verspätung erlebt hatte aber die Dame hinter mir schnaufte bereits heißen Atem in meinen Nacken und die Versicherung kostete ja umgerechnet nur ungefähr 1 Euro 60. Ich glaube, bin mir jedoch nicht mehr ganz sicher, aber seit diesem Kundengespräch bin ich auch im BonusProgramm von RZD (Rossijskije schelesnyje dorogi, die russische Eisenbahngesellschaft). Muss ich noch mal nachgucken, aber sie erwähnte so etwas...
Alla und Olja begleiteten mich nun sicher und eingerahmt zur BaikalBahn. Wir wechselten zwei mal den Waggon und drei mal die Sitzreihe. In einem Waggon war es zu kühl, in der einen Sitzreihe war die Scheibe etwas beschlagen und ich hätte vielleicht nicht gut hinaus sehen können. Also sie taten wirklich alles, damit es mir gut ging an Bord. Ich wollte mich revanchieren und bot Tee aus meiner ThermosKanne an. Na, da war was los! Olja öffnete ihre kleine Reisetasche und zauberte, ich weiß nicht wie, gefühlt ein komplettes Menü heraus. Mehre Sorten Kekse, kleine Törtchen, Äpfel, Gurken... Als sie sich zum vierten Mal zu ihrer Reisetasche hinunter beugte, um den «nächsten Gang» zu servieren, bekam ich einen Lachkrampf und mir liefen die Tränen als ich sie fragte, ob das eine Zauber-Reisetasche wäre, so eine Art «Tischlein deck dich» oder ein magisches Restaurant. Sie lächelte irritiert und verstand die Frage nicht. So ist das eben in Russland. Was man hat, dass teilt man, aber sie und Alla freuten sich über mein von Herzen kommendes Lachen. Außer Tee hatte ich ja nun nichts anzubieten, aber während der Fahrt plauderten wir in Russisch und Englisch und erzählten ein wenig über uns. Ich berichtete über mich, dass ich Bücher und Romane über Heilmethoden und Volksmedizin schreibe und auch nach Russland gekommen bin, um für mein nächstes Buch zu recherchieren. Dabei fiel mir ein, dass ich aus eigener Sammlung Schafgarbe, Gänseblümchen und noch ein paar andere Kräuter und Samen als Geschenk für Mütterchen Russland mit gebraucht hatte und wo immer ich war in der Erde verteilte. Flugs holte ich das Tütchen mit den Samen heraus und schenkte Alla und Olja ein paar Gänseblümchen und Samen, um mich für den reich gedeckten Bistrotisch am Fenster zu bedanken, damit das wieder ausgeglichen ist... Weit gefehlt, mit den Russen kann man einfach nicht gleich ziehen. Beide waren dermaßen gerührt, dass Olja wieder zu ihrer Tasche griff und Alla zu ihrer Handtasche. Alla holte ein Tütchen, in Chita selbst gesammelten, Thymian aus ihrer Tasche, bastelte aus einem Stück Papier eine Tüte und füllte darin etwas Thymian für mich ab. Olja holte aus ihrer Zaubertasche drei in goldfarbene Folie eingepackte Kapseln Pu-Erh Tee und ein Tütchen mit einem Kraut, in das ich mich per sofort unsterblich verliebte und mich reichlich damit eingedeckt habe: Sagan Dali. Als nämlich Olja das Tütchen öffnete und im Nu ein nicht wiederzugebender, vertrauter und wunderschöner Duft in meine Nase stieg, mein Geist - etwas zu rasch - scheinbar völlig beseelt offenscheinig einen Freudensprung machte und ich für einen Moment glaubte, ich sei «high», wusste ich zutiefst, ohne das ich in meinem Leben je an dieser Pflanzen gerochen habe, dass ich diesen Geruch KANNTE und das sich ein Teil in mir sehr danach gesehnt hat. Ich kann das bei bestimmten Dingen und eben Pflanzen mittlerweile gut auseinander halten, ob es erste Euphorie für etwas Neues oder eben wie in diesem Falle ein Wiedererleben ist. Eine derart deutliche Erfahrung habe ich bis jetzt nur bei zwei anderen Pflanzen gehabt. Das erste mal bei der Schafgarbe, das zweite mal beim Weißdorn und nun beim Sagan Dali – nämlich das Gefühl zu erfahren ZU HAUSE zu sein.
Alles machte dann plötzlich Sinn, die Frage nach dem Bahnhof, die hilfsbereite Frau vom Schalter und die beinahe mütterliche Fürsorge von Alla und Olja – MÜTTERCHEN RUSSLAND hatte mir gerade eines ihrer vielen Geschenke überreicht und ich fühlte mich selig und war und bin unendlich dankbar!
Von Alla und Olja habe ich mich in Port Baikal herzlich verabschiedet. Sie blieben dort noch eine Weile und wollten dann ihre Reise nach Irkutsk fortsetzten. Wir schreiben uns immer noch.
Alla verfasst selbst Gedichte und Texte und ist Bloggerin. Sie veröffentlicht einen Teil ihrer Arbeiten auf dem russischen LiteraturPortal Стихи unter der Adresse:
Und sie ist wirklich rasch unterwegs... Als ich nämlich Abends von meinem BaikalBahn Ausflug zurück kam, fand ich den folgenden veröffentlichten Text in meinen Nachrichten und war wieder einmal zu tiefst gerührt. Also das muss ich wirklich mal über Russland und die Russen los werden! Ich war während meiner Reise wirklich häufig und manchmal auch durchgängig von einer inneren und äußeren Gänsehaut überzogen. Abgesehen davon, dass das wirklich nicht schön aussieht, wird es bei mir meistens auch von Tränen und Schniefnase begleitet – entsetzlich!...
«Eine große, feminine, europäisch gekleidete Dame kam zu uns und fragte mit einem Akzent: «Wie komme ich zum Bahnhof?» Sie trat zu uns, als wäre sie durch ein Portal aus einer anderen Welt gekommen. In den ersten Minuten der Kommunikation mit ihr spürte man sofort die Tiefe, Stärke und den Wunsch, die Bekanntschaft fortzusetzen. Wir boten ihr an, mit uns mit dem Zug auf der Baikalbahn zu fahren. Sie hat zugestimmt. Vier Stunden, um eine andere Welt zu kennen, sind etwas Unglaubliches! Als sie ihren Tabakbeutel aus einem Stoff mit einem Metallstreifen mit einem Drachen und einem riesigen Knopfverschluss an einer Kette mit einem Drachen nahm, wurde mir klar, dass dieser Gegenstand nicht nur eine Tabakbörse ist, sondern eine Verbindung zu ihren Vorfahren ist! Ich fragte: "Woher haben Sie das?». Sie antwortete, dass ihr Großvater Harry ihr den Beutel geschenkt hatte. Dieses Ding aus dem 18. Jahrhundert.
Dann holte sie kleine Umschläge mit getrockneten Kräutern aus ihrem Rucksack und ihr Gesicht strahlte und ihre Augen brannten. Und, wie süß sie «Schafgarbe und Weidenröschen" auf Russisch sagte! Wir haben sie mit Thymian versorgt, den wir in Chita gesammelt haben. «Der Baikalsee ist mein Freund», so sagte Maren.
Sie kam zum Baikalsee, um sich von der Volkskultur inspirieren zu lassen und um etwas über den russischen Schamanismus zu erfahren. Wie sich herausstellte, ist Maren eine Schriftstellerin. Sie schreibt Bücher über die Volksmedizin.
Maren, Sie haben unsere Reise zum Baikalsee verschönert. Danke?»
«В Слюдянке к нам подошла статная, высокая, женственная, по-европейски одетая, дама и спросила с акцентом: «Как пройти на вокзал?» Она шагнула к нам, как будто сквозь портал из другого мира. В первые минуты общения с ней сразу почувствовалась глубина, сила и желание продолжить знакомство. Мы предложили ей поехать с нами на электричке по кругобайкальской железной дороге. Она согласилась. Четыре часа познания другого мира – это что-то невероятное! Когда она достала портмоне из ткани с металлической нашивкой с изображением драконов и прикреплённой к нему на цепочке в виде огромной пуговицы украшение с драконом, я поняла, что этот предмет – не просто кошелёк, эта старинная вещь – связь с предками! Я спросила: «Откуда это у вас?». Она ответила, что портмоне подарил дедушка. Эта вещь XVIII века.
Она доставала из рюкзака небольшие конвертики с засушенными травами и у неё улыбка не сходила с лица, глаза горели. А, как вкусно она сказала «тысячелистник и иван-чай»! Мы угостили её чабрецом, собранным в Чите.
«Байкал – мой друг», – так говорила Maren. Она приехала на Байкал, чтобы вдохновиться народной культурой, проникнуться шаманизмом. Как выяснилось, Maren – писатель. Она пишет книги о народной медицине.
Maren, вы украсили нашу поездку на Байкал. Спасибо вам?»
Weiter über Russland, seine Menschen, seine Matroschkas, seine Schamanen, seine Heilkräuter und über den BaikalSee und Anton Tschechow geht es im nächsten Artikel:
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