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Durch den Kreis eines Jahres bis in alle

"Durch den Kreis eines Jahres, bis in alle Zeiten"

 

ist das zweite Buch aus meinem Geschichtswerk:

 

 "Von Tieren, Menschen, Pflanzen und ALLEM was da wächst, lernt und gedeiht"

Spannend geht es weiter für Hermes, Marie, Rose und viele andere.

Ein Jahr voller Herausforderungen, neuer  Begegnungen und Erkundungen nimmt seinen Lauf und überreicht zur Wintersonnenwende jedem sein Maß voller Leben, Fülle und Aufgaben, 

Zur Erinnerung hier noch einmal die letzte Episode aus: "HERR HUND und DAS MÄDCHEN", in der Rose Herrn Hunds Fähigkeiten und sein Wissen um die Heilkraft der Pflanzen erkennt. Sie verleiht ihm zu seiner Ehre den Namen HERMES, den Namen des Eingeweihten und Vater der Hermetischen Lehre Hermes Trismegistos. Somit ist er endlich kein Namenloser mehr und ein anerkanntes Mitglied der Gemeinschaft.

Das umgekippte Höckerchen


 

Die folgenden Tagen waren einfach herrlich. Frau Sonne schwang noch einmal kräftig ihr goldenes Haar über die Lande,um den Äpfeln und Beeren den letzten süßen Schliff zu verleihen und um sich von all jenen zu verabschieden, die sie in den kalten Tagen mit liebender Sehnsucht und Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen so sehr vermissen.

Es war also die Zeit gekommen, in der  sie  ihre Pfanzenschützlinge, die das Jahr über fleißig gearbeitet hatten, in den schützenden Schoß der Erde zurückschickte, auf dass sie im nächsten Jahr wieder ausgeschlafen, frisch und munter aus ihr hervorsprießen und allen zum Wohle ihre Arbeit verrichten.

 

Herr Hund, Lilly, Schnuggel und Schröder waren in nie gesehener Einigkeit mit Dösen, leichter Unterhaltung und hier und da, man staune, Spielen und Jagen beschäftigt. Marie pflügte Brombeeren und Rose Äpfel und Birnen.

Plötzlich kam ein kleiner Schrei aus dem Obstgarten. Alle stoben auf und liefen in Richtung des Schreies. Rose saß im Gras, das Höckerchen, auf dem sie gestanden hatte, um bei den Bäumen die oberen Äste zu erreichen, lag umgekippt neben ihr. Schnuggel und Schröder umschnurrten die  verletzte Rose liebevoll, Lilly leckte das Bein, das Rose immer wieder umfasste und dabei schmerzvoll stöhnte, und Marie lief ins Haus, um das Notfallköfferchen zu holen.

Herr Hund indes prüfte konzentriert und Ruhe bewahrend die Situation, sah das Bein, scannte die genaue Lage der Verletzung, schaute in Roses Augen und rannte los. Alle Anwesenden sahen ihm verdutzt nach, insbesondere Lilly, die böse knurrte: „So eine Unverschämtheit! Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um seine Freundinnen zu besuchen.“ Im Nu war Herr Hund, von oben bis unten mit Erde besprenkelt und Machtwurz in der Schnauze, wieder da und legte die mit Wurzel ausgegrabene Pflanze vorsichtig auf Roses verletztes Bein. Er setzte sich vor Rose, sah ihr tief in die Augen und telepathierte: „Die Wurzel musst du nehmen. Reib den Knöchel damit ein, dann hast du bald wieder ein heiles Bein.“

Rose traute ihren Augen kaum: „das gibt ´s doch nicht.“ Marie erreichte in diesem Moment ebenfalls den Unfallort und kniete sich zu Rose nieder, um sie zu trösten und ihr die Dinge aus dem Kästchen zu reichen, die vonnöten waren. Rose nahm die Pflanze von ihrem Bein und sah abwechselnd sie und Herrn Hund an.

„Ja, genau, mein Guter! Beinwell, den hätte ich jetzt auch genommen. Meine Güte, danke schön!“, und fing schallend an zu lachen. Alle waren irritiert außer Herr Hund, der freute sich. Rose rutschte rüber zu Herrn Hund, nahm seine Vorderpfoten, hob sie hoch und stellte ihn in eine Levade, so wie ein stolzes Pferd es tut.

 

„HERMES, du bist ein Eingeweihter, Wissender und Heiler. So sollst du heißen! Der Name wird dir gerecht.“ Herr Hund – nun Hermes strotzte vor Stolz und Freude, blieb ohne Rose Halten auf zwei Beinen stehen, gab einen kräftigen Heuler von sich (der Odermennig wäre vor Neid erblasst) und Frau Sonne bestrahlte Hermes, Rose, Marie, Lilly, Schnuggel, Schröder, Machtwurz, das umgekippte Höckerchen und den Obstgarten mit einer vollen und für besondere Momente aufbewahrten Strähne.

Episode 2
Episode 3
Episode 4
Episode 5
Episode 6
Episode 7
Episde 8
Episode 9

Rhythmisches Trommelschlagen und ein fremder Gesang erweckte Marie aus einem zwar kurzen, traumlosen, jedoch tiefen Schlaf. Die Trommel schlug zugleich helle und tiefe Töne, war nicht laut aber so intensiv, dass sie durch die Wände zu Maries Stübchen vibrierten. Sie legte die Hände über ihr Gesicht und spürte in den leichten dumpfen Schmerz in ihrem Kopf. Doch ihr Körper war wach und dieses gewohnte Kribbeln, das nach Tatendrang rief, zwang sie zum Aufstehen. Sie war wie immer neugierig und wollte wissen, was vor sich ging.
Rose bereitet in der Küche eine wie immer köstlich duftende Speise zu und Jacob beschnitt im Garten die Obstbäume.
„Marie, bist du schon wieder auf? Dich haben sicher die Trommeln geweckt. Ich kann Jacob fragen, ob du bei ihm übernachten kannst. Da hast du ein wenig mehr Ruhe.“
„Nein, nein es geht mir gut. Ich bin ausgeschlafen. Was gibt’s denn schönes. Ich habe einen Riesenhunger.“ murmelte Marie, schnupperte zum Herd hinüber und lehnte sich liebevoll an Rose, die an der von Fläschchen, Behältern und Kräutersäckchen überdeckten Anrichte stand und eine Arznei zubereitete.
„Brennnesselspinat mit Tomaten und Yamswurzel. Die Yamswurzeln hat Mama Mambo mitgebracht. Wird dir bestimmt gut schmecken. Im Ofen sind noch Kräuter- und Zimtbrot und ein riesiger Käsekuchen mit Schokotupfen. Mama liebt Süßes sehr und du ja auch Mariechen.“
„Hmm wie lecker. Rose erzählst du mir alles. Ich bin ein wenig durcheinander, weißt du. Du gehst mitten in der Nacht weg und kommst dann wieder mit einer Voodoo Priesterin. Ich hab dich noch nie so beunruhigt gesehen wie gestern Nacht.“
Rose nahm Marie an die Hand und ging mit ihr zum Tisch. Sie setzte sich hin, zog Marie auf den Stuhl neben sich und nahm ihre beiden Hände.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen. Es fiel mir nicht leicht dich hier zurückzulassen mit diesem armen Kerl. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob er die Nacht überstehen würde und dir das zugemutet zu haben, quält mich noch immer. Aber ich musste handeln. Es war klar nach seinem Selbstmordversuch und der Tortur im Wald, dass es ihm schlecht geht. Der Körper musste mit so viel Gift fertig werden und seine Seele mit der Situation. Aber ich hatte irgendwann ganz stark das Gefühl, dass noch etwas anderes dahinter steckte. Ich nahm Dinge wahr, die ich mal auf meiner Lehrreise nach Afrika bei einem Exorzismus gesehen und gespürt hatte. Da waren unaussprechliche Dinge in ihm und präsentierten sich um ihn, die von kalter und grausamer Natur waren und plötzlich erschien Mama Mambo vor meinem geistigen Auge und lächelte mir zu.
Und ich hatte das starke Gefühl keine Zeit verlieren zu dürfen. Bitte verzeih mir aber ich musste dir diese Verantwortung anvertrauen. Und ich habe mich nicht in dir getäuscht. Du hast ihn durch die Nacht gebracht.“
Rose strich zärtlich über Maries Stirn und ihre Augen waren voller Stolz, Liebe und Tränen. „Gute Arbeit meine Marie!“ Schnell wandte sie sich dem Herd zu. “So und nun hilf mir den Tisch zu decken. Wir sind heute vier.“
Flirrende Wirbelchen in der Luft und ein kräftiger Schritt kündigten Mama Mambos Erscheinen in der Küche an. „Lecker, lecker Mama Rose! Was hast du da wieder schönes gezaubert?“ Auch Jacob wurde von dem Duft, der aus der Küche kam nasal hypnotisiert und stand freudestrahlend in der Küchentür.
Es war trotz aller Umstände ein heiteres Mahl. Die ganze Küche war erfüllt von Mama Mambos Freude und uriger Heiterkeit. Marie musste sich einige lieb gemeinte jedoch kräftige Wangenkneiferchen gefallen lassen und gewöhnte sich langsam an die ihr fremden und kräftigen Schwingungen die Mama Mambo so umverteilte.
Das Hauptmahl war verputzt und alle freuten sich auf den warmen Käsekuchen.
„Marie, jetzt erzählst du Erzulie, was in der Nacht geschehen ist.“
Marie gehorchte und holte aus ihrem Zimmer den Zettel mit den Uhrzeiten der Schlaf- und Krampfphasen des Kranken. Rose und Mama Mambo waren erstaunt.
„Das ist gut und hilft uns sehr. Nun erzähle alles.“
Marie erzählte von den Abläufen der Krämpfe und wie sie gegen Morgen etwas kürzer wurden. Das sie ihn, wie ihr Rose gezeigt hatte, gewaschen und gesalbt hatte und das sie die ganze Nacht gesungen hatte, auch weil sie Angst hatte.
Mama Mambo horchte auf. „Was hast du gesungen?“
„Ach, ich habe meistens einfach vor mich her gesummt oder "Am Brunnen vor dem Tore", "Freude schöner Götterfunken" und das Heilmantra Om mani padme hum gesungen.“
Rose und Mama Mambo lächelten sich wissend an.
„Hast heilende Stimme kleines Vögelchen.“, bedachte Mama Mambo Marie zusammen mit einem Nasenkneifer.
Rose wollte wissen, ob der Mann zwischendurch wach war, was er getan hat und ob er etwas gesagt hätte. Sie hatte inzwischen anhand eines Klinikausweises, den sie in seiner Jacke fand, heraus gefunden , das er Darius Schön hieß, das er Arzt war und in der psychiatrischen Klinik des Charitas Krankenhauses in Hamburg arbeitete.
Konzentriert kniff Marie die Augen zusammen um sich genau zu erinnern und erzählte. „Ja, er ist viermal wach gewesen und er hat im Schlaf fantasiert. Er redete in verschiedenen Sprachen. Eine davon klang wie Englisch nur sehr verzehrt. Dann redete er noch Spanisch, Arabisch und in einer Sprache, die ich nie zuvor gehört habe. Er fantasierte und sagte, wie froh er sei, dass wir uns endlich wiedergefunden haben und das wir uns in Stonehaven versprochen haben, dass wir uns wieder finden und uns immer lieben werden." Marie errötete an dieser Stelle ein wenig und hätte diese Episode am liebsten nicht erzählt. Doch ihr Pflichtbewusstsein ließ es nicht zu, sie auszulassen. Vieleicht könnte es ja von Bedeutung sein. Sie fuhr fort: "das liegt in Schottland. Ich habe heute Nacht nachgesehen. Er muss mich mit jemanden verwechseln. Das war wahrscheinlich der Fieberwahn.“
Wieder tauschten Rose und Mama Mambo wissende Blicke aus.
Mama Mambo resumierte: „Jetzt versteht Mama Mambo. Zwei Sachen in ihn eingefahren. Fluch und Marie. Hab gesehen, konnte aber nicht einordnen. Du bist Frau von Mann.“
„Was bin ich? Nein, Mama Mambo! Ich kenne den Mann doch gar nicht und ich war noch nie in Schottland. Ich hab ihn bloß im Wald gefunden. Also eigentlich hat Hermes ihn gefunden. Ich schwöre, ich habe den Mann noch nie zuvor gesehen.“
„Hier nicht, aber früher. Seid verbunden durch rotes Band. Seid eine Seele. Jetzt kann Mama Mambo sehen. So viel Nebel um ihn. Du hast ihn gerettet. Mama Mambo macht Rest weg. Böser Zauber, Drecksarbeit!“ Mama Mambo spuckte verächtlich auf den Boden.
„War kein Bocor, sonst wäre Mann tot. War aber jemand der sich bösen Rat geholt hat. Ist jemand der ihn gut kennt. Ist eine Frau aber noch jemand im Hintergrund. Hab noch einen anderen Zauber gefunden. Alten Liebeszauber. Hat nicht gewirkt, weil Mann starken Willen und Charakter hat. Frau will ihn unbedingt haben, will Macht über ihn. Ist Obsession. Hat kranken Kopf. Ist aber schwer zu finden. Hat eine gute Tarnung. Ist angesehen, hat Position und Macht über andere. Hat viele schwache Wesen in ihrer Macht. Sind schwach und abhängig.“
„Aber wenn er so willensstark ist, warum hat er dann versucht sich umzubringen?“ wollte Marie berechtigterweise wissen.
„Teil von Drecksarbeit. Wenn du nicht selbst Finger blutig machen willst, lässt du es Leute selber tun. Sag ja, ganz böser Zauber. Auch starkes Wesen ist manchmal schwach. Dann kann Zauber wirken. Erzulie macht das schon und Mama Mambo freut sich jetzt auf Kuchen. Und später dann macht Mama Mambo Marie sauber. Hat was abgekriegt von Dreck, weil Seelenpartner verzaubert. Seh ich in deiner Aura. Dreckstück will dich auch umbringen. Ist eifersüchtig. Ist aber nicht so schlimm. Erzulie mag Marie und hilft.“
Marie fiel die Gabel mit dem aufgepicksten Käsekuchen aus der Hand. Mit offenem Mund sah sie Hilfe suchend zu Rose herüber.
„Mach dir keine Sorgen Marie und habe keine Angst. Denn Ängste sind es, die solch einem Zauber Macht verleihen. Ich sehe diese dunklen Energien auch um dich, aber der Zauber wird schwächer. Habe bitte Vertrauen Marie und glaube mehr denn je an deine Kraft.“
Marie spürte in und um sich und ja jetzt bemerkte sie es auch. Der leichte Schmerz an ihrem Oberarm war ummantelt von etwas Dunklem. Sie visualisierte es wie Klauen, die nach ihr grapschten. Und dann dieser dumpfe Schmerz in den Schläfen. Sie sah etwas Ähnliches wie Saugglocken, die gleichzeitig importierten und exportierten. Durch das kleine Küchenfenster konnte sie ein Stück vom Himmel sehen und versenkte einen tiefen Blick in die Unendlichkeit, so wie sie es immer tat, wenn sie nicht verstand. Und die Unendlichkeit blickte zurück auf die kleine Marie, die verwirrt an einem Küchentisch, in einem kleinen Haus am großen Teich saß und beseelte sie mit tiefem Vertrauen und einem kleinen Stück Verständnis von dem was Rose, das Alles und Ganze nannte, welches sich grenzenlos mit dem Nichts und einer vollkommenen Leere einte. 'Ja', dachte Marie: 'es ist wirklich alles da. Ich fange an zu verstehen. Und das, was ich erfahre, birgt immer alles, sowohl das eine als auch das andere, prüft mich und lässt mir immer wieder die Wahl mich zu entscheiden und daraus zu lernen.'
„Nein, ich habe keine Angst. Wie soll ich etwas verstehen, wenn ich es nicht selbst erfahren habe?“, sagte sie zwar mehr zu sich selbst aber dennoch laut in die Küche hinein, nahm sich ein Stückchen Kuchen und ging zur Küchentür hinaus.
Erst kurz bevor die Sonne ihr hiesiges grandioses Schauspiel beendete und weiterzog zu einem Publikum am anderen Ende der Welt, kam sie genau durch dieselbe Küchentür hinein. Rose sah sie an und hielt für einen Moment inne. Sie betrachtete den Türrahmen und Marie, die darunter stand und sagte lächelnd: “Marie, ich glaube du bist gewachsen.“

Man nehme, was man gebrauchen will

Zwei unvergessliche Tage und Nächte zogen in die natürliche Kühle des nordischen Landes. Hitzige und ekstatischen Trommelrhythmen und Gesänge, Feuer, die Tag und Nacht brannte und Rituale aus uralter Zeit, geboren aus der sengender Hitze der afrikanischen Sonne und dem Geiste einer fernen Kultur, erfüllten den Ort. Alles schien aufmerksam und neugierig zu lauschen.
Lange Gespräche und Austausch von Gedanken befriedigten Maries unendliche Neugierde. Die fremden Gerüche von Kräutern und Elixieren wenn Mama Mambo kochte oder heilte, waren lehrreiche Herausforderungen für ihre Sinne.

Was sich jedoch genau hinter der Tür des Krankenzimmers abspielte, blieb Mama Mambos Geheimnis. Sie erzählte nur so viel wie es die Ethik als Priesterin des Voodoo erlaubte. Das Wissen über die Rituale war in keinem Buch beschrieben, es wurde von Generation zu Generation weitergegeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Marie gefielen besonders die völlig undogmatischen Ansichten die es auch erlaubten, Gottheiten und Rituale anderer Kulturen mit denen des Voodoos zu vermischen. Loa Erzulie zum Beispiel wurde der Mutter Gottes im Christentum gleich geschrieben. Auf diese Weise hatten die unterjochten und versklavten Afrikaner während der Christianisierung die Möglichkeit ihre Gottheiten weiter zu verehren und wenn auch beschränkt ihren Kult zu leben. Die christlichen Eroberer konnten einfach nichts dagegen tun, wenn die Afrikaner Mutter Maria als personifizierte Erzulie verehrten. 'Eigentlich ein schlauer Schachzug', dachte Marie und lauschte weiter den Erzählungen von Mama Mambo.
Mama Mambo arbeitete zumeist mit Loa Erzulie zusammen, die sie in sich fahren ließ um zu heilen und Weissagungen an den Ratsuchenden weiterzugeben. Auch hier erfuhr Marie das Bessenheit, wie sie in der Kultur der westlichen Völker verachtet und gefürchtet war, als blasphemische Handlung bestraft wurde oder als Krankheit diagnostiziert wurde, eben auch in einer positivenen Sichtweise als nützliches Werkzeug gesehen werden kann. Und das dem so war, konnte man an der schnellen Besserung des Zustandes des Kranken erkennen.
Marie wohnte zwar den eigentlichen Heilungszeremonien nicht bei, jedoch sah sie ihn mit Mama Mambo und Rose bereist am zweiten Tag der Behandlung im Garten spazieren gehen oder auf einer Bank sitzend. Sie selbst mied ihn jedoch und versuchte ihm aus dem Weg zu gehen. Es überkam sie jedes mal ein seltsames Gefühl, wenn sie ihn beobachtete und Mama Mambos Schlussfolgerungen über ihre inkarnierte Beziehung verunsicherte sie.
Glauben tat sie es eigentlich nicht. Sie nahm von Mama Mambos Berichten und Erzählungen das mit, was sie mit ihrer eigenen Anschauung für sich vertreten konnte, so wie sie es auch mit Rose Erzählungen über die Rauhnächte tat. Und wollen tat sie es schon mal gar nicht! Sicher die meisten Frauen in ihrem Alter waren längst verlobt, verheiratet und hatten Kinder. Für sie stand dieses Thema nie so sehr im Vordergrund. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun oder war in der Vergangenheit eher damit beschäftigt gewesen, ihre jeweiligen Lebenssituationen zu überstehen. Ja, sie hatte den einen oder anderen romantischen Tagtraum, in dem sie sich vorstellte von jemandem geliebt zu werden. Auch stellte sie sich vor, wie dieser Mann nun wäre, wie er aussah und was er wohl für ein Leben hätte, welches sie am Ende dieses Tagtraumes ja dann mit ihm teilte.
Eines war ihr mit Sicherheit klar, ein verfluchter Selbstmörder, der ausgerechnet auch noch Arzt war und obendrein und damit nicht genug auch noch Seelenklempner, kam keiner dieser Vorstellungen auch nur im Entferntesten nahe.
Zum einen hatte sie überhaupt keine Lust, um das Leben eines lebensmüden Gatten zu bangen und zum anderen mochte sie keine Ärzte. Auch mit dieser Zunft hatte sie in der Vergangenheit schlechte und sehr schmerzhafte Erfahrungen machen müssen, an deren Folgen sie immer noch litt und einer dieser „weißen Götter“ hatte sie mit seinem Werk sogar in Lebensgefahr gebracht. Für sie gab es da überhaupt keinen Zweifel. Mama Mambo musste sich irren oder versuchte sie auf ziemlich befremdliche Art und Weise mit ihrem Klienten zu verkuppeln. Vielleicht war es ihre Art, denn aus Mama Mambos Erzählungen ging ziemlich eindeutig hervor, dass sie mit Liebesangelegenheiten ziemlich locker umging. Ekstatische Vereinigungen, Sex und Körperlichkeit spickten immer wieder die Geschichten aus ihrem Leben und ihrer Kultur.
Mama Mambo erzählte etwas und Marie wurde rot oder knabberte verlegen an ihren Fingernägeln, was dann Mama Mambo in laute Verzückungen brachte und sie dazu ermunterte bei gewissen Sachen noch mehr ins Detail zu gehen. Sie neckte Marie mit gewissen Anspielungen über ihre "spitzen Brüstchen" und ihren knackigen Po. Lachend bot sie Marie einen Liebeszauber an, um den Mann der da im Krankenbett lag noch mehr an sie zu erinnern und die ja ohnehin schon bestehende Bindung zu verstärken.
Da war es dann so weit...
In Marie fing es an zu brodeln wie in einem Hexenkessel und eine der Zutaten im Kessel war offensichtlich gar und diese Zutat hieß Wut. Mit einer noch nie probierten Stimmgewalt fauchte sie Mama Mambo an und Rose gleich mit dazu. „Jetzt reicht es mir aber! Ich kenne den Mann nicht, ich will ihn auch nicht kennen lernen und ich will auch keinen gottverdammten Liebeszauber! Falls es irgendwann dazu kommen sollte, dass sich jemand in mich verliebt, soll er das gefälligst von alleine tun. Und ich will von jetzt an nichts mehr von diesem Mist hören. Nichts für ungut, Mama Mambo, aber das geht mir jetzt einfach zu weit. Ich glaube das nicht und ich werde mich weder von dir noch von irgendeinem Zauberspruch aus irgendeiner fernen Kultur dazu überreden lassen, das zu glauben. Und du hör gefälligst auf so schelmisch zu grinsen, Rose! Ihr geht mir beide gewaltig auf die Nerven, ihr alten lüsternen Hexenweiber!“ Dem folgte noch ein wütender Schrei, ein Stampfer auf den Boden und das Knallen der Stubentür.

Die richtig falschen Worte finden

oder

Die falschen richtigen Worte...

Mama Mambo war fort. Ihre Arbeit war getan. So nach und nach verließ auch ihre pulsierende Energie, die von ihr prall aufgeladenen Moleküle von allen und allem und machte sich gemächlich auf den Heimweg zu ihrer Meisterin.
Marie gab dieses Pulsieren dem Garten ab, fegte altes Laub weg und zupfte hier und da die Beete frei. Sie war immer noch sauer und zog es vor alleine zu werkeln.
„Guten Tag, Marie“ vernahm sie zwar aus geraumer Entfernung aber seltsamerweise in vertrauter Nähe eine klare, tiefe und sehr männliche Stimme. Sie hielt inne, stützte sich auf ihren Besen und wandte sich dem Gruß entgegen. „Guten Tag, sie scheinen wohl auf zu sein. Wie geht es ihnen?“
„Besser.“ Der Mann hüstelte verlegen und sein nervöser Blick verriet, dass er nach passenden Worten suchte. „Ich hatte bis jetzt noch nicht die Gelegenheit mich vorzustellen. Ich heiße Darius.“
„Angenehm“, erwiderte Marie etwas schroffer als geplant. "Na meinen Namen kennen sie ja bereits.“
„Ja, du hast ihn mir ja neulich Nacht genannt.“
Marie stutzte. „Können sich an diese Nacht erinnern? Mir schien es, als seien sie, nun ja, in ganz anderen Sphären gewesen.“
Darius antwortete nicht gleich. Er schien nachzudenken. Das tat er auch, unter anderem darüber, ob er sie in dieser ersten und sehr besonderen Unterhaltung weiter dutzen sollte oder wie Marie die förmilche Sie-Anrede verwenden sollte. Er entschied sich beim du zu bleiben. „Ich erinnere nicht viel. Ich sah dich nur ab und zu und hörte wie du mir deinen Namen sagtest.“
„Das ist auch besser so“ Marie fegte weiter.
„Ich wollte mich bei dir bedanken. Rose hat mir einiges erzählt und gesagt, das du mich gefunden hast und das du dich fürsorglich um mich gekümmert hast.“
„Danken sie nicht mir. Danken sie Hermes!“ knurrte Marie, denn schon wieder brodelte  in ihrem Bauch diese schäumende Zutat Wut  und meldete: „Ich bin gar!“ Doch da streute sich noch ein anderes Gewürz hinzu und verteilte sein Aroma, denn Marie spürte wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Dies wollte sie ihrem Gegenüber natürlich um keinen Preis der Welt offenbaren, drehte sich um und schwang den Besen.
„Marie, mir ist aufgefallen, dass du mir aus dem Weg gehst und ich merke an deiner Reaktion das dich, wollen wir sagen, dieser Vorfall stark belastet. Ich vermute mal, dass du eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hast, die du nun versuchst, mit Ablehnung gegenüber meiner Person, zu kompensieren. Wenn du willst, können wir darüber reden.“
Zu einer Säule erstarrt, blieb Marie in der Positon des Augenblicks mit erhobenem Besen stehen. Die Tränen in ihren Augen froren in sekundenschnelle zu Eis. Blitzschnell löste sich die Starre, sie schmiss den Besen hin, drehte sich um und war in Windeseile ganz nahe bei Darius, der sich ja offensichtlich sehr schnell erholt hatte und seinen Arbeit als Psychiater wieder aufnehmen wollte.
Auge in Auge stand sie nun bei  ihm und zwischen ihnen stand Maries ausgestreckter Zeigefinger mit einer imaginären ausgefahrenen  und klingenscharfen Kralle an der Spitze. Beinahe berührte diese Darius Nase, aber eben nur beinahe.
„Ich bin Marie und nicht ihr Patient und ich habe kein postdingsda Verlassenstrauma. Was fällt ihnen überhaupt ein? Ich habe mir den Hintern aufgerissen und wie sie sehen auch meine Haut, um sie da im Wald zu finden und am Leben zu halten. Ich habe dort bloß ihretwegen mein kostbares Kräuterbuch verloren. Das war mein wertvollster Besitz und es war mir heilig. Ich empfehle ihnen dringend mal einen Kollegen zu konsultieren, damit sie nicht bald wieder irgendwo halbtot herumliegen, anstatt mir eine Störung oder sonst etwas anzudichten.“
„Ich sagte posttraumatische Belastungsstörung und sprach nicht von einem Trauma induziert durch das Verlassenwerden. Interessant! Vielleicht spricht da etwas aus deinem Unterbewusstsein?“
„Sie sind ein blöder Arsch!“ Zeigefinger nebst unsichtbare Kralle wurde eingefahren, Marie ging einen Schritt zurück, musterte Herrn Doktor Darius Schön mit einem alles oder nichts sagenden Blick von oben bis unten und schritt von dannen.
„Ich empfehle dir Jod für die verletzte Haut“, rief Darius noch fürsorglich der entschwindenden Marie hinterher.
„Schafgarbe, da hilft die Schafgarbe. Das sollten sie eigentlich als Arzt wissen.“ und weg war die kräuterkundige Hexenschülerin Marie Gabe.
Rose pflegte und goss im Gartenhäuschen die Pflanzenzöglinge, die nun bald erwachsen genug waren, um in die Erde gesetzt zu werden. Ohne es zu bedauern, kam sie nicht umher die Unterhaltung mit anzuhören, lächelte und summte leise vor sich hin. Sie versuchte sich auf die Pflänzchen zu konzentrieren um ihre schelmischen Gedanken und ein bereits bis zur Kehle vorgedrungenes Kichern zu kontrollieren und in Schach zu halten. Darius hörte sie da nun summen und stattete ihr einen Besuch ab.
„Hallo Rose! Oh das sind aber schöne Pflanzen und so viele.“ Er räusperte sich und versuchte einen "Herr der Lage" Eindruck zu machen. „Ja, also Marie ist...“ hier pausierte er kurz und dachte über passende Worte nach. Rose bemerkte das natürlich und half ihm kurzerhand aus der Bredouille.
„Ich weiß, Darius. Sie ist entzückend.“ Das unterhalb der Kehle gefesselte Kichern besiegte endlich seine Unterdrückerin und platzte unverhohlen aus ihr heraus.
„Ja genau.“, gab Darius zu und kratzte sich verlegen das Hinterköpfchen.

Von der Last der Fackel, die das Dunkel erhellt

Marie wälzte sich unruhig im Bett und verprügelte ihr Kopfkissen. In einem anderen Teil des Hauses saßen Rose, Jacob und Darius gemütlich beim Abendessen. Bis spät in die Nacht erzählten sie von Erfahrungen und neuesten Erkenntnissen aus der Wissenschaft einerseits und von traditionellen und althergebrachten Methoden aus der Heilkunst. Rose war begeistert von neuen Techniken und Verfahren in der Medizin und Darius hingegen sehr aufgeschlossenen und interessiert an alten Heilverfahren. Besonders beeindruckt war er jedoch von Rose profundem Wissen über die Heilkräfte der Pflanzen und versicherte ihr das eine oder andere ganz bestimmt mal auszuprobieren.
Er visionierte in die Zukunft und sah die Möglichkeit seinen Patienten mit Rose Unterstützung eine Alternative zu bieten. Nur zu genau war ihm bewusst, dass viele Medikamente, die er ihnen verabreichte zwar halfen, aber auch viele Nebenwirkungen mit sich brachten, unter denen die Patienten dann zusätzlich zu leiden hatten. Er sann über die Möglichkeit nach beide, chemische Präparate und natürliche Heilmittel aus Pflanzen zu kombinieren oder gar das eine oder andere Medikament mit Pflanzenpräparaten zu ersetzten.

Doch auf einmal wurde er still, seine Stirn kräuselte sich und er wirkte besorgt.
„Ist alles in Ordnung, Darius?“, fragte Jacob, stellte sein Weinglas auf den Tisch und lehnte sich fü freundschaftlich zu Darius hinüber.
„Ach es ist alles gut. Ich hatte nur ein wenig Ärger in der Arbeit. Es gab ein paar Unstimmigkeiten, die mir aufgefallen sind. Darüber kam ich in Streit mit dem Chefarzt. Er ist eigentlich ein Freund von mir und gab mir die Chance auf diese Position als leitender Arzt. Im Grunde bin ich zu jung dafür. Aber er traute mir das zu und unterstützte mich von Anfang an wie eine Art Lehrvater.“
„Kannst oder willst du über deine Sorgen sprechen“ hakte sich nun auch Rose in das Gespräch ein, die etwas Seltsames um Darius herum wahrnahm. Sie zündete die Kerzen an, die Mama Mambo ihr zur Hausreinigung dagelassen hatte und legte auch einige Kräuter ins Stövchen auf dem Kamin.
„Ach ich weiß nicht. Vielleicht ist es auch gar nichts. Mir sind ein paar Patientenakten verschwunden und ich bemerkte, dass plötzlich bei einigen Patienten die Medikamente umgestellt wurden oder die Dosen verändert wurden. So auch bei einigen von meinen Patienten, obwohl ich der Meinung bin, dass die Medikamente die ich verordnete, dem Krankheitsbild wesentlich besser entsprachen und gezielter auf die Symptome wirkten. Am Tag vor meiner Abreise hier her, kam mein Chef mit den vermissten Akten und sagte, er hätte sie aus Versehen zu seinen Akten gelegt. Beim Durchsehen stellte ich fest, dass Datenblätter fehlten und Eintragungen, die ich gemacht hatte, verändert wurden. Da ging es um die Dauer von Aufenthalten, Krankheitsverläufe und eben um meine Anordnungen und Dosen von Medikamenten. Ich stellte ihn darauf hin zur Rede und er schickte mich in diesen Urlaub und meinte ich sei überarbeitet. Ich kann mir das nicht erklären. Vielleicht hat er ja recht gehabt, aber ich weiß doch was ich angeordnet und dokumentiert habe und kann mich an den einen oder anderen Patienten genau erinnern. Und noch etwas ist merkwürdig. Bei so schweren Krankheitsbildern ist es eigentlich normal, dass die Patienten wiederkommen, mal in einem längeren und mal in einem kürzeren Abstand. Aber in letzter Zeit kommen einige Patienten relativ kurz nach der Entlassung wieder und meistens mit einer viel ausgeprägteren Symptomatiken als in der Vergangenheit. Nun ich will den Teufel nicht an die Wand mahlen. Vielleicht oder sehr wahrscheinlich, sonst wäre ich ja nicht unter diesen Umständen bei euch gelandet, bin ich wirklich überspannt und überarbeitet, aber was mein Erinnerungsvermögen angeht, bin ich mir meiner sehr sicher. Ich habe was gewisse Dinge angeht ein spezielles Gedächtnis.“
„Gibt es noch jemanden, dem du von diesen Ungereimtheiten erzählt hast?“ wollte Rose nun wissen.
„Ja ich habe mit meiner Kollegin über das eine oder andere gesprochen. Ich kenne sie seit meiner Ausbildung zum Facharzt, wir arbeiten schon einige Jahre zusammen und ich vertraue ihr. Ich habe sie gefragt, wie ihre Patienten mit den neuen Medikationen zurechtkommen und ob sie Auffälligkeiten bemerkt hätte. In mehr wollte ich sie nicht verwickeln. Ihr müsst wissen, sie ist mir sehr zugewandt, wenn ihr versteht. Ich versuche eine nicht allzu große persönliche Vertrautheit in unsere Arbeitsabläufe einfließen zu lassen. Sie hat mir einmal Aufwartungen gemacht. Ich kann das aber nicht erwidern. Ich meine damit, dass ich keine Gefühle für sie habe. Wir haben uns damals darüber ausgesprochen und sie akzeptiert das.“
„Und was hat sie dir geantwortet? Sind ihr ähnliche Dinge aufgefallen?“, fragte Rose weiter und versuchte sich einen Reim aus Darius Erzählungen zu machen.
„Sie sagte, sie hätte nichts Ungewöhnliches bemerkt, sie wisse von nichts und halte die neuen Medikamente für vertretbar. Sie versicherte mir aber in der Zukunft darauf achten zu wollen und mir gegebenenfalls Rückmeldung zu geben.“

Bei Rose dämmerte es nun allmählich. Jedoch bereitete ihr diese aufhellende Dämmerung, bezüglich der Dunkelheit die Darius hier hergeführt hatte, große Sorgen. Sie verließ das Gespräch, um etwas frische Luft zu schnappen. In tiefen Gedanken und Schlussfolgerungen aus Darius Bericht versunken, nahm sie eine Zigarette aus dem kleinen Kästchen in der Anrichte und ging in den Garten. Einen tiefen Zug nehmend blickte sie in den sternengeschmückten Himmel und dachte nach. Wie sollte sie Darius erklären, in welcher Gefahr sie ihn vermutete. Sein Chef und Freund ließ sich anscheinend von einem Medikamentenhersteller für die Verabreichung seiner Medikamente, gut bezahlen. Seine Kollegin war offensichtlich obsessiv verliebt in ihn und schreckte scheinbar vor nichts zurück um ihn entweder zu haben oder zu vernichten. Für Rose hatte Mama Mambo mit ziemlicher Offensichtlichkeit mit der Bezeichnung "kranker Kopf" sehr viel mehr als Recht und es handelte sich wahrscheinlich um eine psychopathische Persönlichkeit. Auch hatte Rose den Verdacht, das Darius Kollegin sehr wohl über die betrügerischen Machenschaften ihres Vorgesetzten Bescheid wusste, vielleicht darin verwickelt war, um für ihr Schweigen Geld zu kassieren. Das Darius dem Ganzen auf der Spur war, könnte der Grund für ihre Bemühungen sein, ihn mittels schwarzer Magie aus der Welt zu schaffen und wäre eine Erklärung für diese starken und zerstörerischen Praktiken, die sie auf ihn angewendet hatte oder anwenden ließ. Sie erinnerte sich an Mama Mambos Worte: “Frau will ihn unbedingt haben, will Macht über ihn. Hat kranken Kopf. Ist aber schwer zu finden. Hat eine gute Tarnung. Hat viele schwache Wesen in ihrer Macht. Sind schwach und abhängig.“
Darius hatte Mama Mambos Wirken zumeist gar nicht wahrgenommen. Entweder schlief er oder fantasierte.
Er lächelte über die mit Pflanzenfarbe aufgemalten Symbole auf seinem Körper, war aber in den Gesprächen mit Mama Mambo aufgeschlossen und höflich. Wie konnte man auch von einem Wissenschaftler erwarten, zu glauben, dass er durch energetischen Einfluss so krank geworden war, ein Fluch ihn schwächte und er dem Tode geweiht war. Er musste Mama Mambo hoch und heilig versprechen, auf sie, entgegen seiner wissenschaftlich geprägten Einstellung, zu hören und  die geweihten Amulette, die sie ihm gab, immer am Hals zu tragen.
Rose war hoffnungsvoll und  schätzte Darius so ein, dass er schon aus lauter Respekt und Dankbarkeit die Amulette tragen würde um Mama Mambo nicht zu verletzten. Diese Noblesse und Höflichkeit würde ihn vielleicht in diesem Falle vor dem Schlimmsten bewahren.

Sollte Rose Darius mit ihren Vermutungen behelligen oder ihn verschonen und darauf hoffen, dass er die Wahrheit selbst findet und stark genug war, sie anzunehmen? Sie konnte im Moment einfach nicht einschätzen, ob sie sich in den Lauf der Dinge einmischen sollte und Darius bei der Erfüllung seiner inneren Aufgaben stören sollte und in einen Konflikt bringen sollte. Rose entschied in der Nacht in sich zu gehen und das mit ihren Geistern zu besprechen. Sie schaute in den Sternenhimmel und dachte liebevoll an zwei wundervolle Wesen. Denn bei allem was Mama Mambo über Darius und Maries Schicksal prophezeit hatte, eines hatten sie auf jeden Fall schon einmal gemeinsam, diese gütige und liebevolle Arglosigkeit.

Wieder alles beim Alten...

Am nächsten Tag war wieder alles beim Alten. Darius war fort und Marie erhoffte sich die vertraute Gewohnheit. Sie war die Aufregung, Fremdheit und Dramatik der letzten Tage leid und wünschte sich den friedlichen und beschaulichen Alltag, den Rose und sie hier vorher gelebt hatten, wieder. Auch Rose war erschöpft und man konnte ihr ansehen, dass die letzten Tage ihr zugesetzt hatten. Es wurde nicht viel gesprochen. Rose nähte Kräutersäckchen und verschwand den halben Tag in der Kräuterkammer. Marie konnte sich zu gar nichts motivieren und spielte mit den Welpen. Noch nicht einmal ihre gewohnten Spaziergänge mit Hermes wollte sie machen. Sie verließ kaum das Haus, geschweige denn das Grundstück. Die Welt außerhalb erschien ihr im Moment wenig verlockend und sie hatte kein Verlangen danach, so wie es ihre Gewohnheit vor all den Ereignissen war, sie mit jedem Tag neu zu entdecken. Einerseits fürchtete sie sich vor neuerlichen Aufregungen und ,andererseits trauerte sie um ihr geliebtes Kräuterbuch. Mehrere Male hatte sie die gesamte Gegend um Darius Fundort abgesucht. Doch das Buch war weg und blieb nun wohl für immer verschwunden. Sicher, es gab andere Bücher, auch das ihrige war ja kein Einzelexemplar. Sie trauerte um den schönen Moment als Rose es ihr überreichte. Sie trauerte um die Freude und den Stolz den ihr diese Überreichung bescherte. Damals fühlte sie sich so geehrt und besonders, ganz so als weihte sie Rose in die Gilde der Kräuterfrauen ein.

So gingen einige Tage ins Land, ruhig und beschaulich, wie sie es sich wünschte, waren sie, aber trotzdem war alles anders. Was Marie freute war, das Jacob jetzt häufiger vorbeischaute und auch Rose ihn beinahe täglich besuchte. Rose erklärte sich jedes Mal, sie wolle ihm nur Brot oder Kuchen oder irgend etwas anderes, von dem sie meinte, zu viel zubereitet zu haben, vorbeibringen, aber Marie spürte es und freute sich darüber, dass da vielleicht noch etwas anderes dahinter steckte.

„Guten Morgen, Doktor Schön. Wie war ihr Urlaub?“, grüßte der Pförtner.
„Guten Morgen, danke gut“ grüßte Darius höflich zurück.
Als er die Pforte durchschritt, atmete er auf. Die gewohnte Umgebung seiner Arbeitsstelle verhieß ihm eine gewisse Sicherheit. Die vergangenen Tage waren zu turbulent und wieder und wieder überwältigten Fetzen von Erinnerungen an die Tortur im Wald, wilde Alpträume, Maries weit aufgerissene Augen, Trommeln und Mama Mambos Gesänge, seinen Geist und seine Sinne.
Am Tag als er das Haus der Hexen verließ und zurückkehrte nach Hamburg, fühlte er sich erleichtert und freute sich auf sein Leben. Schwer fiel es ihm  zu glauben, dass die letzten Tage wirklich die Seiten seines Lebensbuches füllten und nicht  Erinnerungen an einen Kinofilm oder ein seltsames Buch waren. Nicht mehr nachzuvollziehen war für ihn, wie es zu dieser Stimmung kam, die ihn in den Wald trieb. Sicher, die letzten Jahre waren keine glücklichen. Sowohl in seinem Privatleben als auch in seiner Arbeit, wo er sich ständig mit der Aufgabe konfrontiert sah, sich gegen ältere und erfahrenere Kollegen durchsetzen zu müssen und seine Autorität unter Beweis zu stellen. Das kostete ihn oft kostbare Kraft und Zeit, die er lieber seinen Patienten zugutekommen lassen würden, aber war er deswegen labil und ein Selbstmörder?

Als er in Hamburg aus dem Zug stieg, die wunderlichen Ereignisse in sicherer Entfernung, verharrte er einen Moment auf dem quirligen Bahnsteig. Menschen eilten in alle Himmelsrichtungen, rempelten ihn an und suchten ihr Ziel. Darius schaute hinauf zum riesigen Gewölbe des Bahnhofes und war sich für einen Moment nicht sicher, ob das Gewölbe ihn behütete oder einsperrte. Das Gefühl „endlich wieder zu Hause zu sein“ wollte sich einfach nicht einstellen. Trotz all der vielen Menschen die hier hin und her flitzten, fühlte er sich plötzlich unendlich einsam und leer. Er ging nach Hause, öffnete seine Wohnungstür und auch hier fand er nichts außer Stille und Einsamkeit. Im Regal in der Küche stand noch eine halbvolle Whiskyflasche. Er nahm die Flasche, füllte ein Glas und trank es leer. Das Gefühl der Einsamkeit und eine nicht einzuordnende Angst zogen sich endlich hinter einen Nebel zurück. Er lehnte sich an die harte und kalte Lederlehne seines Sofas und versuchte zu entspannen.
Die folgenden Nächte waren gnadenlos und gönnte ihm keinen Schlaf. Er wälzte sich hin und her. Jedes Mal, wenn er kurz vor der Schwelle des Schlafes war, ereilten ihn die Erinnerungen und riefen laut. „Sieh hin!“

Doch nun öffnete er die Tür zu seinem Büro und war sich sicher das seine Patienten und die liegengebliebene Arbeit ihm Ablenkung verschaffen würden und das die alltägliche Routine so eines Krankenhaustages nicht nur seinen Patienten eine gewisse Stabilität garantierte, sondern auch ihm. Doch auch sein Büro, sein Schreibtisch, die Bücherregale, das Waschbecken und alles andere, erschienen ihm plötzlich fremd. Er konnte sich das nicht erklären aber für einen Moment hätte er schwören können, diesen Raum noch nie betreten zu haben. Da ging ohne ein vorheriges Anklopfen die Tür auf und Karola seine Kollegin stand im Rahmen. Sie wirkte überrascht und sah verwundert den Briefe lesenden Darius an. Schnell sagte sie. „Darius, du bist ja da.“ Darius sah sie ruhig an und etwas in ihm sagte ihm, dass sie seine Rückkehr scheinbar nicht erwartet hatte.
„Ja, das bin ich. So ein Urlaub scheint ja nicht nur für den Urlauber schneller zu Ende zu gehen als er sollte. Du scheinst mich nicht erwartet zu haben. Karola, ich möchte dich bitte, vorher anzuklopfen.“
„Oh ja sicher. Du warst ja eine Woche nicht da, da brauchte ich ja vorher nicht zu klopfen“, antwortete sie schnell mit einem sehr verkrampften Lächeln.
„Was wolltest du in meiner Abwesenheit in meinem Büro?“, wollte Darius wissen.
„Nur eine Akte. Und nun erzähle mal. Wie waren die freien Tage?“ versuchte Karola das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken und ließ sich in den Stuhl vor Darius Schreibtisch fallen.
Ein sehr sicheres Gefühl in Darius veranlasste ihn, das genaue Gegenteil von dem zu erzählen, was wirklich geschehen war und er spürte das Verlangen sein Amulett zu berühren. „Wunderbar, wirklich schön. Ich habe einen Freund auf dem Land besucht, einen ehemaliger Kommilitone. Viel frische Luft, Spaziergänge, ja das tat mal richtig gut.“ lächelte Darius und lehnte sich entspannt in seinen Stuhl zurück. Dabei rutschte sein Amulett aus dem Hemdkragen und irgend etwas schien Karola plötzlich sehr zu befremden.
„Was hast du da?“, fragte Karola und ihr Blick verhieß etwas seltsam Irritiertes.
„Oh ein Amulett. Es wurde mir gegeben.“ antwortete Darius und erinnerte sich blitzschnell an Rose letzte Worte. Es schien ihn beinahe, als stände sie vor ihm, so nahe war die Erinnerung. „Darius, falls irgend jemand auf dein Amulett besonders aufmerksam wird, du kannst es gerne sichtbar tragen, sei vorsichtig. Wer immer es ist und wie gut du ihn auch kennst, vertraue ihm nicht und lass es von niemandem berühren. Mehr kann ich dir nicht sagen. Du musst selbst Antworten finden." So das Echo der imaginären Rose.
Karola hypnotisierte das eingravierte Zeichen auf dem Amulett, beugte sich zu Darius herüber und streckte die Hand aus.
„Darf ich mal sehen? Das ist ja wirklich hübsch. Wer hat es dir gegeben?“ gierte Karola nach Antwort und Berührung.
„Nein, nicht anfassen, bitte! Ich musste es versprechen. Und Versprechen hält man ja bekanntlich. Nicht das mich noch der Fluch des Voodoo trifft“ witzelte Darius gespielt und gekonnt und beobachtete ganz genau die Reaktion seiner vertrauten Kollegin. Diese zog ihren Arm langsam zurück, ohne das Amulett aus den Augen zu lassen, gab ein gekünsteltes Lachen von sich und stand auf. „Ach es ist schon fast 9 Uhr. Die Dienstbesprechung. Ich muss vorher noch etwas erledigen. Bis gleich.“ verabschiedete sich Karola und schloss die Tür hinter sich. Wieder aus nächster Nähe, aber dieses Mal direkt in seinem Kopf hörte er die Stimme von Rose: „Gut gemacht!“


Darius griff zum Telefon, wählte die Nummer, die auf einem kleinen Zettelchen in seinem Portemonnaie stand und wartete auf das Freizeichen. Am anderen Ende wurde abgenommen und ein lautes „Hallo“, dröhnendes Klopfen und ein Schwung flitternder Energie erreichte Darius Ohr und Amulett, welches augenblicklich ein Kribbeln auf seiner Haut erzeugte.
„Hallo, Mama Mambo, hier ist Darius. Ich muss mit ihnen reden. Wann haben sie Zeit für mich?“

"Liebe viel stärker als Voodoo"

Marie war im Garten und pflanzte Setzlinge genau nach Rose Anweisungen, als Rose aus der Küche nach ihr rief. Sie unterbrach ihre Arbeit und ging Rose, die schnellen Schrittes auf sie zukam, entgegen. Sie trafen sich an der kleinen Holzbank unter dem Apfelbaum, auf der sie schon so viele lange Gespräche geführt hatten. Hier hatte Marie Rose damals gestanden, dass sie nicht richtig schreiben und lesen kann und auf ihr hatte Marie so oft Rose liebevoll erzählten Geschichten und Legenden gelauscht.

„Ein Paket ist für dich angekommen“. Rose überreichte Marie den dicken Umschlag und beide setzten sich.
„Für mich? Wer schickt mir denn Pakete? Ich kenne doch gar keinen?“ Auf dem Päckchen stand nur in schöner Handschrift geschrieben ihr Name und die Adresse. Neugierig öffnete sie das Paketband und ritzte das schwere Papier mit dem Fingernagel ein. Als sie es endlich geöffnet hatte und den Inhalt erkannte, kam ein kleiner Schrei aus ihr heraus. „Mein Kräuterbuch!“, freute sie sich laut. Das Buch hatte scheinbar einiges mitgemacht. Der Umschlag war verblasst und an den Rändern gewellt, auch einige Seiten waren wellig und leicht vergilbt. Aber das machte nichts. Leben ist Erfahrung und hinterlässt ja bekanntlich auch Spuren und Narben. Marie fand einen kleinen Brief, der zwischen den Seiten steckte und öffnete ihn aufgeregt:



Liebe Marie,

auf dem Weg von eurem Haus zum Dorf hatte sich einer meiner Schnürsenkel

gelöst. Als ich mich bückte, fiel mir etwas in der Böschung auf, dein Buch.

Es steht dein Name darin und Du sagtest mir ja, dass Du es verloren hast.

Ich hatte leider keine Zeit mehr zu euch zurückzukehren. Ich war in Eile um

meinen Zug noch zu erreichen.
Das Buch war sehr nass und sah mitgenommen aus. Ich habe es Seite für Seite

trocknen lassen und etwas gesäubert. Ich hoffe, du freust dich trotzdem es

wiederzubekommen.

Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass es dir gelingt, die schlimmen Erlebnisse um

meine Person zu verarbeiten und zu vergessen.

Ich wünsche dir alles Liebe und grüße dich herzlich

Darius



Marie gab Rose den Brief zum Lesen, knabberte an ihrer Unterlippe und betrachtete die vorüber ziehenden Wolken.
„Das ist aber sehr nett von Darius.“, sprach Rose leise und folgte Maries Blicken. „Ja, es sehr nett. Sieh mal Rose, diese Wolke da oben, die aussieht wie ein Hase. Wo mag sie wohl heute Abend sein und wer wird sie erblicken und finden, dass sie wie ein Hase aussieht?“
„Marie, du bist sehr still in den letzten Tagen. Möchtest du nicht deine Gedanken mit mir teilen?“, bat Rose und legte Marie ihre Hand in den Schoß.
„Ich weiß nicht, Rose. Etwas ist anders geworden. Ich habe das Gefühl, etwas tun zu wollen. Aber ich weiß nicht, was es ist. Meine Gedanken drehen sich im Kreis und kommen immer an derselben Stelle wieder an. Ich komme einfach nicht weiter. Etwas ist in mir und möchte raus, möchte gehen. Aber ich finde den passenden Schlüssel einfach nicht, um ihm die Tür zu öffnen. Es ist wie ein Druck und es schmerzt aber ich kann nichts dagegen tun, weil ich es nicht ausfindig machen kann. Es ist mir fremd und ich kann es nicht sehen, obwohl es in mir ist. Manchmal ist es so stark und es tut mir weh.“ Marie senkte den Kopf und eine Träne verwischte Darius Unterschrift.
„Vielleicht ist es an der Zeit für dich zu gehen, Marie. Manchmal bricht eine Wanderschaft und andere Eindrücke den Kreis, in dem man sich dreht und aus dem man scheinbar keinen Ausgang findet. Ich kenne das Gefühl zu stagnieren und auf der Stelle zu treten. Als ich solche Momente in meinem Leben hatte, hab ich versucht all meinen Mut zusammenzunehmen und habe eben diese ausgetretenen und zerstampften Stellen verlassen. Es ist nur ein Schritt Marie.“

Marie ließ ihren Tränen freien Lauf. „Ja, ich habe auch das Gefühl, dass ich gehen möchte aber dann auch wieder nicht. Du bist mein Zuhause, Rose. Ich habe sonst niemanden auf dieser Welt. Die Zeit hier bei dir war bis jetzt die Beste in meinem Leben. Ich habe noch nie so viel Gutes erfahren. Ich bin durch dich erst ein richtiger Mensch geworden und lebe. Vorher habe ich immer nur überlebt. Ich weiß im Moment einfach nicht was ich will. Aber eins weiß ich, ich möchte dich niemals verlieren.“

Rose nahm das Häufchen Unglück neben sich ganz fest in die Arme. „Das wirst du auch nicht. Was immer du tust, wo immer du bist, ich werde immer bei dir sein. Du brauchst nur an mich zu denken und schon bin ich da. Du weißt, dass das funktioniert. Und du musst doch auch nicht für immer gehen. Wenn du willst, mache eine Reise, eine kurze oder lange. Gehe heute und komme morgen wieder oder in 10 Jahren. Das hier ist immer dein Zuhause und so lange ich lebe, werde ich für dich da sein und darüber hinaus wahrscheinlich auch. Ich werde mir ein paar Gedanken machen. Ich kenne den einen oder anderen, bei dem du bleiben könntest und von dem du vielleicht noch anderes erfahren kannst, als das was ich dir beibringen kann. Und du denkst natürlich auch nach. Vielleicht kommt dir ein Gedanke, wohin es dich gerade zieht“
„Ja ist gut. Bis uns was eingefallen ist, werde ich versuchen irgendwo ein bisschen Geld zu verdienen für die Reise.“, schniefte Marie.
„Ach da mach dir mal keine Gedanken drüber. Ich habe ein wenig Gespartes und im Übrigen hast du auch Geld.“ Marie runzelte ungläubig die Stirn. „Ich? Woher sollte ich denn Geld haben?“
„Darius hinterließ einen Brief mit einem Scheck mit einer nicht ganz unerheblichen Summe unter der Fußmatte. Darin stand das er sehr dankbar für seine Rettung und die Pflege sei und er wolle sich dafür erkenntlich zeigen. Ich habe den Scheck Mama Mambo geschickt und er kam heute mit der Post und diesem Zettel zurück. Heute ist dein Glückstag, Marie!" Rose griff in die Tasche ihre Strickjacke und übergab Marie einen kleinen Zettel.
„Nicht mein Lohn, sondern Maries. Ich hab nur bisschen sauber gemacht und gute Freunde gesehen. Liebe viel stärker als Voodoo!“

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  Marie freut sich über eine schöne alternative zu Weihnachen

 

Am Morgen des Tages der Wintersonnenwende bereitete Rose im Heilpflanzengarten eine Feuerschale vor und umschmückte sie mit feinen Kräutern und Kerzen. Sie hängte in die Äste der Bäume Bänder, Äpfel, Sonnenblumenblüten und Kräutersäckchen. Zum einen zum Schmuck, zum anderen, um hungrigen Vögeln und Geistern etwas zu essen anzubieten. In der Küche bereitete sie leise summend einen köstlichen, nach Zimt duftenden Teig zu. Marie kam in die Küche, nahm sich eine Tasse Tee, setzte sich an den Tisch und beobachtete sie lächelnd. „Bereitest du das alles für Weihnachten vor?“, fragte sie Rose. „Liebes, ich feiere kein Weihnachten. Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht. Ich zeremoniere die Rauhnächte. Hast du davon schon einmal gehört?“ Marie verneinte das und war ein wenig erleichtert, dass Rose, genau wie sie, scheinbar kein Weihnachtsfan war.
Es war meistens keine so gute Zeit für sie. Keines der Weihnachtsfeste, die sie erlebt hatte, war ihr in schöner Erinnerung geblieben. Meist war sie allein oder mit Menschen zusammen, die ihr keine Geborgenheit schenkten, und die eifrigen Versuche dieser Menschen, ihre Gefühle und gegenseitigen Abneigungen zu unterdrücken, nach außen aber alles strahlen und glänzen lassen zu wollen, stresste und verwirrte sie bloß.
„Nein, ich habe noch nie von diesen Nächten gehört. Bitte, erzähle mir etwas darüber“, antwortete sie daher sichtlich erleichtert. Rose setzte sich mit einer Tasse Tee zu Marie an den Küchentisch und erzählte von der langen Tradition der Rauhnächte und der längsten Nacht des Jahres, der Wintersonnenwende. Dass mit dem Ende dieser Nacht und mit der aufgehenden Sonne das Licht über die Dunkelheit siegt, die Tage wieder länger werden und ein neues Lichtjahr beginnt. Und genau diese Nacht war heute!

 

Ihr Ritual in dieser Nacht sei es, ein Feuer zu

entzünden und die auf Zettel geschriebenen

Ereignisse und Dinge, die sie gerne entlassen

möchte, dem Feuer zu übergeben und um

Schutz und Segen für das kommende Jahr

zu bitten.
Dabei würden ihr auch besondere Kräuter wie

der Salbei, der Beifuß und der Rosmarin helfen,

die sie zur Reinigung und Klärung der

Geschehnisse zusätzlich räuchere. Und heute

sei genau diese Nacht! Dazu gäbe es dann

leckeres Brot am Stock und einen Punsch.
Die Kraft des Lichts kann sich dann noch bis

zum 24. Dezember, der ersten Rauhnacht,

stärken. In dieser Nacht öffnen sich nämlich

die Tore zur Anderswelt und die Geister haben

für zwölf Nächte Ausgang. Sie reiten auf

stürmischen Brisen durch die Luft, und

„Mensch“ tut gut daran innezuhalten, sich

selbst und das Haus reinzuhalten, da Schmutz

Schmutz anziehe und Reines eben Reines.

Und so suchten sich die mannigfaltigen Geister eben die Qualität, die am besten zu ihnen passe.
Erst als bereits die lauschende Dämmerung ans kleine Küchenfenster klopfte und Rose daran erinnerte, das Feuer zu entfachen, unterbrach sich Rose, die mit glänzenden Augen und ihrem charmanten Witz über Geister wie Odin und Frau Holle erzählte und über die Chance, in diesen Nächten auf das Geschick des kommenden Jahres einzuwirken. Putzmunter sprang sie von ihrem Stuhl auf und rief: „Komm Marie, wir machen jetzt ein Feuerchen, und nimm dir Zettel und Stift mit!“
Marie war begeistert, fand das eine oder andere ein wenig gruselig, aber betrachtete die Rauhnächte als eine schöne Alternative zum Weihnachtsfrust.

Über Rose

 

Das Feuer knisterte leise in die eiskalte Nacht hinein und schenkte ihr von Zeit zu Zeit ein kleines warmes Fünkchen um sie zu wärmen. Marie besann sich und schrieb wie ihr geheißen alles auf, was sie aus diesem Jahr friedlich verabschieden möchte und nicht mit ins nächste Jahr mitnehmen möchte, Erlebnisse und Begegnungen die ihr zu schaffen gemacht hatten, eigene Ängste, Gedanken und Muster in ihrem Verhalten die sie gerne erlösen möchte. Dick eingekuschelt in eine Decke schrieb und schrieb sie, erinnerte und erinnerte sich. Manches schrieb sie mit vor Angst zitternder Hand und manches mit Tränen in den Augen. Sie merkte aber, dass allein durch das Aufschreiben, die Gedanken und Bilder ein wenig von ihr wegrückten und aufhörten sie zu bedrängen und ihren Atem stocken ließen.

„Punsch?“, fragte Rose und hielt Marie eine duftende und dampfende Tasse entgegen.

Marie sah auf und lächelte Rose dankbar für das Drücken des Pausenknopfes an ihrem Erinnerungsprojektor an. „Ich brauche noch mehr Zettel“, lachte sie und nahm die angereichte Tasse entgegen.

„Das Schreiben geht dir gut von der Hand, Liebes. Freust du dich darüber? Das hast du ganz alleine geschafft. Auf dich, Marie“. Rose erhob ihre Tasse und hielt sie Marie zum Anstoßen entgegen.

„Nein, auf dich Rose. Danke das du mich gerettet hast und das ich bei dir sein darf.“

„Na dann auf uns und auf das Leben“, sang Rose Marie fröhlich entgegen.

„Sieh mal Marie, du kennst bis jetzt nur deine Geschichte bis hin zu meiner Gartenpforte. Auf der anderen Seite der Pforte gibt es auch eine Geschichte, nämlich meine. Du sagst Hermes hat dich hierher geführt, vielleicht nicht nur um dich zu retten, sondern auch mich. Das was ich tue, mache ich schon sehr lange. Eine schwere Krankheit führte mich zu den Pflanzen und Steinen und an diesen schönen Ort. Die Ärzte gaben mich damals auf und alle anderen auch. Ich selbst hatte auch keine Hoffnung mehr und meine Situation, zwang mich auf die Knie und drückte mich zu Boden. Und dort am Boden, im staubigen Asphalt sah ich es plötzlich, ein winzig kleines Gänseblümchen, dass sein Köpfchen durch einen Riss im Asphalt streckte. Ich dachte ich bin dem Wahnsinn nahe, als ich plötzlich ein kleines helles Stimmchen hörte, dass mir voller Stolz entgegen rief: „Ha, ich hab's geschafft. Ich habe es geschafft. Hallo, du da, kannst du mich sehen? Juchhu, ich habe es endlich geschafft.“ Ja, ich sah es und ich weiß nicht, wie lange ich vor diesem Blümchen kniete und weinte, seine zarten weißen Blättchen streichelte und mich mit ihm freute und ihm gratulierte. Die Leute gingen vorbei und einige lachten mich aus, verhöhnten mich: „Die Alte ist ja gaga, völlig irre“ und solche Sachen eben. Und plötzlich sah ich die Dinge anders, oder sagen wir mal, ich bemerkte sie endlich. Ich blickte auf, die Sonne strahlte, ein warmer Windhauch streichelte mein Gesicht, Vögel sangen, die Luft pulsierte wie ein Herzschlag. Alles pulsierte und schwang, die Blätter der Bäume, das Gras auf der Wiese, prall gefüllt mit Leben und Liebe.

'Das schaffe ich auch', dachte ich mir und so war dieses winzig kleine Blümchen meine Heilung und von dort an habe ich mich mit den Pflanzen beschäftigt, sie kennen gelernt und bin herum gereist um von Frauen zu lernen, die ihre Heilkräfte gut kannten. Es kam eins zum anderen. Ich lernte über alte Traditionen, Astronomie, die Heilsteine und über Mystik. Mein Geist war so hungrig und ich begriff endlich, warum ich so krank geworden bin. Er verhungerte in meinem früheren Leben, wo es mir wichtig war, was andere Menschen von mir dachten und ich einzig durch meine Stellung und mein Umfeld, welches sich nur mit Geld und teuren Sachen und Häusern glänzte und sich ständig gegenseitig übertrumpfen wollte. Ich wurde so frei und gesund mit jeder Pflanze die ich neu entdeckte und mit jeder guten Zeile die ich lass. Irgendwann fingen die Leute dann an mich um Rat zu fragen und seit dem helfe ich denen, die zu mir kommen so gut ich kann mit Rat und Tat. Das ist der eine Teil meiner Arbeit, der andere ist für dich vielleicht noch schwer zu verstehen, Marie. Aber es gibt ein Gleichgewicht zu halten in dieser Welt und dafür gibt es ein Netzwerk von Eingeweihten, Wissenden und Heilern, rund um den Erdball. Es sind zum Teil Menschen mit einem hohen Verständnis und einem Zugang zur geistigen Welt haben. Das bedarf einer großen Verantwortung und meistens haben diese Menschen einen sehr schweren Weg zu gehen. Das ist die sogenannte Läuterung und eine Prüfung ihres Bewusstseins. So verstand ich auch endlich meinen Weg. Dennoch die Zeiten sind sehr schwierig und der Zeitgeist ist lebensfeindlich und viele von uns sind durch Kriege gefallen. Das letztes Jahr war für mich und viele andere ein sehr schweres gewesen und ich fing an zu zweifeln, verlor durch das viele Ungute um mich und um diese Welt das Vertrauen. Weißt du Marie, ich habe so vielen Menschen versucht zu helfen und ich hatte an einem Punkt keine Kraft mehr und es gab niemanden, der mir helfen konnte und ich hatte den Zugang zum Netzwerk, dessen Schlüssel unendliches Vertrauen ist, ja selber verschlossen. Ich verschloss alle Türen, die sichtbaren und die unsichtbaren. Schnuggel und Schröder gingen mehr oder weniger in die Selbstversorgung über und jagten Mäuse. Ich schaffte es gerade noch Lilly etwas zu Fressen zu bereiten und mich selbst mit genug Wein und Cognac zu versorgen. Dann kam der Tag, an dem ich das auch nicht mehr schaffte und ich bat Josef, Lilly ein paar Tage zu sich zu nehmen und sagte ihm, ich wolle „verreisen“.

Rose sah Marie tief in die Augen und sagte: „Ja, ich wollte „fort gehen“ und dann bellte es an meiner Gartenpforte, Marie.“

Marie stellte die Tasse in den Schnee, kniete sich vor Rose, umarmte und wickelte sie zusätzlich mit ihrer Decke, so wie eine Taube, die ihre Kleinen, unter ihren Flügelchen schützt und drückte sich fest an sie. Bei all der Fürsorge, dem gegenseitigen Respekt hatten sich Rose und Marie noch nie umarmt. Marie hatte zuviel Respekt und hatte das Gefühl, dass es Rose nicht recht sein würde oder das sie es vielleicht nicht mag. Aber jetzt konnte sie nicht anders und siehe da, Rose ließ es gerne geschehen. Marie sah Rose in die Augen und sagte:“Jetzt verstehe ich. Jetzt weiß ich, was du meintest als du Hermes seinen Namen gabst und zu ihm sagtest, er sei ein Eingeweihter. Er hat uns alle beide gerettet. Das ist einfach unglaublich. Also gibt es sie doch diese Geister und dieses Netzwerk von dem du sprachst, dass sind nicht nur Menschen, sondern auch Tiere und Pflanzen und was weiß ich noch.“

Marie erzählte Rose von der Stimme die Sie hörte, als sie von der Lichtung kamen und sie so furchtbare Angst bekam und verzweifelt war, weil sie nicht wusste wohin sie gehen sollte, vor oder zurück.

„Ja meine Liebe, so ist es und die meisten von uns erfahren das eben nur in großer Not und es ist ihre Entscheidung ob sie darauf vertrauen oder nicht. Man hat immer die Wahl und im Laufe eines Lebens bekommt man auch immer wieder die Chance, wenn man sich mal anders entschieden hat. Wir sind alles nur Menschen und jeder kommt mal an einen sehr schwachen Moment und sind nicht mehr in der Lage auch nur ein winzig Hoffnung zu haben und dann sind da andere, egal in welcher Form, grün, zwei- oder vierbeinig, ein Flackern der Kerze. Wenn wir es nur zulassen, sind wir nie allein und ohne Hilfe, Marie. Wenn ich euch beide damals fortgeschickt hätte, was dann, was wäre geschehen? Auf jeden Fall würden wir zwei hier nicht in eiskalter Nacht im Schnee sitzen, ich hätte keine kalten Füße und du keinen Eiszapfen an der Nase. Man, ist das kalt. Komm Liebes lass uns ein wenig bewegen und dann Erlösen wir das Vergangene im Feuer. Beide standen auf und Rose legte noch ein paar Scheite in die Flammen um das Feuer zu nähren. Marie hüpfte und rubbelte sich ab um sich auf zu tauen. Da traf sie der erste hinter tückisch, feige von hinten geworfene Schneeball. Sie schrie kurz auf, dass Geschoss hing noch an ihrer Schulter. Langsam drehte sie sich um und sah der Angreiferin tief in die Augen, ohne die Anvisierte aus den Augen zu lassen, griff sie nach dem Geschoss auf ihrer Schulter und feuerte es blitzschnell zurück. Die Schlacht war eröffnet und durchwärmte nicht nur die beiden Kontrahenten sondern machte auch noch einen Riesenspaß...

Schöne Bescherung

 

Nervös und besorgt lief Hermes in der Stube vor der Tür zur Kräuterkammer auf und ab. Marie wollte bei ihm bleiben, war aber durch sein rastloses Getrappel mittlerweile auch ein Nervenbündel und hörte das Klacken seiner Pfoten auf dem Dielenboden mittlerweile auch ohne das sie im Raum war.

Gedanken und Bilder rannten zwischen Hermes Ohren hin und her und er versuchte zusammen zu reimen, wie das Ganze geschehen konnte.

Der Tag an dem Hermes Rose gerettet hatte und ihm seinen Namen verlieh, veränderte alles.

Schnuggel dankte ihm vor Lilly und Schröder mit einem;“Nichts für ungut, Hermes. Bist ein Guter!“, was soviel hieß, dass sich seine Stellung im Hause nun geändert hatte und er endlich nicht mehr der Geduldete sondern ein vollständiges Mitglied der Gemeinschaft war. Schröder zollte ihm Respekt, indem er ihm den Vortritt ließ, wenn sie ins Haus gingen. Na und Lilly...

Lilly war eigentlich wie immer. Nur hin und wieder erstaunte sie Hermes damit, dass sie ihn neckte, ihn und seine liebenswerte Zerstreutheit und gelegentliche Tollpatschigkeit nachmachte, ihn damit ärgerte aber auch zum Lachen brachte. Manchmal entwickelten sich sogar aus Blödelein feinsinnige und tiefgründige Gespräche. Hermes war verzaubert von Lillys charmanten und klugen Geist. Sie inspirirte seine Gedanken und half ihm hier und da gedanklich auf die Sprünge. Seine Gefühle zu ihr änderten sich. Er war nicht nur in sie verliebt. Er war in Liebe verzaubert.

 

Sie gingen gemeinsam am Teich spazierten und schnüffelten sich zusammen durch kleine Abenteuer, die sie teils selbst inszenierten, oder solche die tatsächlich geschahen.

Nach einem dieser Abenteuer, die Verfolgung einer kleinen schlauen Spitzmaus, die sie scheinbar verhöhnte und ihnen mal aus der einen und dann wieder aus einer anderen Richtung zu rief: “Ihr kriegt mich nicht. Hier bin ich und schon bin ich wieder weg“, ruhten sie sich gemeinsam am Teichufer aus.

Lilly schnaufte erschöpft, lächelte aber dabei: „Ah, ich muß mich kurz ausruhen. So ein freches Luder. Aber es hat Spaß gemacht. Da vorne an der Ecke hättest du sie beinahe gekriegt.“

„Ja, aber nur, weil du sie eingekreist hast, wäre sie mir beinahe in die Schnauze gesprungen.“

Beide lächelten...

„Soll ich dir die Pfoten lecken?“, bat Hermes sich edelmütig an.

„Nein, nein das geht schon danke. Aber wenn du mir vielleicht den Nacken etwas knabbern könntest? Das wäre nett. Das entspannt mich immer sehr.“.

Der Gentleman Hermes positionierte sich geschmeidig und galant an Lillys Rücken und fing ganz vorsichtig mit spitzen Zähnchen an Lillys Nacken zu massieren. Sanft und geschmeidig arbeitete er sich ganz langsam durch ihr weiches Fell, bis hin zu ihrer weichen Haut und fand da etwas, was vorher noch nie jemand gefunden hatte, nämlich Lillys „gute Stelle“.

 

Wäre das hier ein filmisch umgesetztes Werk und Keines, schwarz auf weiß, würde die Kamera jetzt einen sanften Schwenk in irgend eine andere Richtung machen, in die Weiten der Natur, zum Beispiel oder in einen schönen Sonnenuntergang...

 

So, und nun wanderte Hermes, auf dessen Nerven man hätte Geige spielen können, in der Stube auf und ab und dachte nach. Lilly war seltsam in den letzten Tagen. Bat ihn, wenn gar höflich sie in Ruhe zu lassen und sagte nur: „Es ist bald soweit. Ich spüre das.“

„WAS ist soweit? Lilly rede mit mir. Bist du böse mit mir. Hab ich was falsch gemacht?“

„Nein, es ist schon alles gut.“ schnaufte Lilly und ging zu ihrem neu eingerichteten Quartier in die Kräuterkammer, aus der sie Hermes schon zwei mal mit giftigem Knurren kurzerhand raus komplimentiert hatte.

 

Endlich ging die Tür auf und Rose, die einzige der Lilly Zutritt gewährte, kam mit glänzenden Augen und strahlendem Lächeln aus dem Kämmerchen und rief Hermes fröhlich entgegen: „Herzlichen Glückwunsch mein Lieber, was für eine süße Bescherung!“

Hermes verstand nicht so recht und neigte sein Köpfchen etwas auf die Seite, um besser denken zu können und schaute auf die wieder verschlossene Tür zur Kräuterkammer. Marie war auch ganz aufgeregt, kniete sich neben den verwirrten Hermes, streichelte seinen rauchenden Kopf und fragte Rose aus.

Beide liefen verzückt im Stübchen herum und tranken ein Hexenwässerchen nach dem anderen.“Also drei sind es. Oh wie schön und geht es Lilly gut. Oh, ich möchte sie so gerne sehen. Aber ja, ich weiß Rose. Lassen wir die Lilly noch ein wenig in Ruhe und sich erholen.“

Hermes stand vor den beiden fröhlichen und leicht an getüttelten Frauen und versuchte zu verstehen. „Aha, drei also. Verstehe. Nein, tue ich nicht, aber Lilly geht’s gut. Das ist die Hauptsache.' Hermes wuffte um das Gequietsche und Geplapper der Damen mal zu unterbrechen. „Könnte mich mal bitte jemand aufklären. Hallo, halloho, ich bin hier unten.“

Rose beugte sích zu Hermes und knuddelte ihn und Marie gab ihm einen Kuss auf die Nase und schon ging das Geplapper weiter.

'Weiber, die machen mich alle samt so langsam aber sicher fertig! Na aus denen ist nichts raus zu bekommen. Ich muss hier mal raus. Vielleicht finde ich Schnuggel. Ist zwar ne' Katze, aber wenigstens eine männliche', brubbelte Hermes vor sich hin und ging in den Garten.

 

Hermes hatte Glück oder auch nicht. Er fand Schnuggel im Gartenhäuschen.

„Schnuggel, schön dich zu sehen. Endlich ein Normaler hier. Sag mal, weißt du was mit Lilly ist? Ich habe sie schon zwei Tage nicht gesehen und davor war sie sehr abweisend und wollte nicht mit mir reden. Und die Damen da drinnen benehmen sich äußerst merkwürdig. Weißt du was hier los ist?“

Schnuggel hörte abrupt mit der Pfoten-und Krallenpflege auf und starrte mit offenem Mäulchen und riesengroßen Augen Hermes an.

„Junge, das hast du mich jetzt nicht wirklich gefragt, oder? Das kann doch nur ein Scherz sein.“, wunderte sich Schnuggel verblüfft.

„Wieso?“, fragte Hermes der Verzweiflung nahe. „Was ist denn hier los? Keiner sagt mir was.“

Schnuggel stand auf, grinste Hermes schamlos an, fing an zu glucksen, zu kichern und dann verließ ihn seine ihn eigentlich nie verlassende Kontenance. Er stand auf dem Pflanzpodest, prustete, zeigte mit seiner scharfen Kralle auf Hermes und fing schallend an zu lachen. „Du Idiot, das kann doch nicht war sein. Weißt du was mit Lilly los ist, fragt er mich. Das glaub ich einfach nicht.“ Er haute seine Pfoten abwechselnd auf das Holz auf dem er saß oder verbarg seine Augen hinter ihnen und zu guter Letzt fing er an sich im Kreis zu drehen und vor lauter Vergnügen seinen Schwanz zu fangen.

Hermes stand sprachlos und mit offener Schnauze vor dem durchgedrehten Kater. Vorsichtig und langsam setzte er sich rückwärts gehend und so gut es ging lautlos in Richtung Ausgang in Bewegung. Er wollte den Kater nicht noch mehr aufregen. 'Die sind hier scheinbar gerade alle verrückt geworden. Muss wohl am Wetter liegen. Nur die Ruhe bewahren. Ich kriege schon raus, was hier los ist.'

 

Rose und Marie hatten endlich die Stube verlassen um ihre Zeremonie vorzubereiten. Hermes schlich zur Tür der Kräuterkammer. Den Mechanismus von Türklinken hatte er bereits ausführlich studiert. So schwer konnte das nicht sein. So stellte er sich auf die Hinterbeine und versuchte mit den Vorderpfoten die Klinke herunter zu drücken. Es dauerte ein wenig aber siehe da, nach zwei drei Versuchen machte es Klack und die Tür ging auf. Leise schlich er durch den schmalen Spalt und versuchte sich an die Dunkelheit im Raum zu gewöhnen, um nirgendwo gegen zu laufen. Es duftete betörend nach Kräutern und Pflanzen. Langsam fand er sich zwischen Regalen, Gefäßen und Truhen zurecht, nur von Lilly war keine Spur.

Er fasste sich ein Herz, auch auf die Gefahr hin, dass er gleich wieder rausgeschmissen wurde und rief sie.“Huhu, Lilly bist du da? Bitte enschuldige, ich wollte dich sehen und möchte wissen wie es dir geht. Sei nicht böse aber die anderen sagen mir nichts und ich mache mir Sorgen.“

„Hallo Hermes, ich bin hier drüben unter dem Tisch“, gab Lilly leise Antwort.

„Darf ich zu dir kommen? Ich möchte wirklich nur wissen, ob es dir gut geht.“, flüsterte Hermes Lilly hoffnungsvoll entgegen.

„Ja, komm ruhig.“, hieß Lilly ihn willkommen.

 

Hermes tapste unsicher im Raum herum. Hier kannte er sich noch nicht gut aus.

Dann sah er endlich die Liebste. Ihm mit dem Rücken zugewandt, lag sie auf der Seite und rührte sich nicht.

Sein Herz schlug bis zu seinen Ohren und er lief ohne auf Hindernisse oder Stolperfallen zu achten auf Lilly zu. „Oh Lilly, was ist mit dir? Kann ich dir helfen... Was, was ist das?“ Hermes stellte seine Augen scharf und erkannte drei winzige Gestalten, die putzmunter und fidel an Lilly knabberten. „Das sind ja Junge. Wo hast du die her?“, rief er ihr ungestüm, verwirrt und fassungslos entgegen. Eine Frage, für die er sich sein Leben lang schämen würde, jedes mal wenn Lilly ihn damit aufzog.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lilly wandte ihren Kopf zur Seite und lächelte ihm liebevoll in die weit aufgerissenen Augen. Im gleichen Moment spulte sich hinter Hermes Stirn, in rasender Geschwindigkeit, der Erinnerungsfilm der letzten zwei Monate ab. Als der Film abrubt am Tage der Spitzmausjagd endete, fingen seine Knie an zu zittern, seine Pfoten wurden taub und er fiel um...

Maries unüberhörbare „Übungen der Stille“

 

„Stopp“, war im vermeintlich stillen Raum zu vernehmen. Rose unterbrach mit diesem Stopp in den Meditationsübungen Maries zu laut gewordene Gedanken.

“Verdammt“, schimpfte Marie sich selbst aus, der Frustration nahe, mit einem eingeschlafenen Bein aber einem dafür sehr wachen und redseligen Köpfchen.

Ihre Freude über die „schöne“ Alternative zu Weihnachten war nahezu erloschen und sie wäre in diesem Moment lieber irgendwo alleine in einem tristen Kämmerchen, bei Kerzenlicht und traurigen Gedanken. Eben so wie einige ihrer Weihnachtsfeste vorüber gegangen sind, mit Hoffnung auf den nächsten Tag, wo sie sich wenigstens mit Arbeit ablenken konnte.

„Tief in den Bauch atmen, einatmen und ausatmen. Konzentriere dich auf deine Atemschaukel, ein und wieder aus.“

„Ok“, schnaufte Marie völlig verkrampft und scheinbar ohnmächtig gegen diese unglaubliche Flut von Gedanken die durch ihren Kopf sausten.

'Wo kommen bloß all diese Gedanken her. Alte, neue oder von sonst wo her. In Maries armen Kopf tobte ein Sturm. Nein, man kann schon sagen ein Orkan. Das kann doch nicht so schwer sein.' Nun verstand sie, warum Rose zu ihr sagte. „Das kannst du wahrscheinlich noch nicht. Ich will dich nicht überreden oder zwingen. Selten ist unter Druck und Zwang etwas Gutes und Haltbares hervor gegangen. Wir sind nun mal keine Diamanten. Das sind seine Bedingungen um zu wachsen, zu gedeihen und zu glänzen. Es sind 12 Tage und du bist ungeübt. Ich möchte nicht, dass du zwischendurch aufgeben musst und dich dann über dich ärgerst. Aber ich freue mich über deine Bemühungen und dein Interesse.“

 

Marie kannte Rose nun mittlerweile ein wenig und irgendwie hatte sie den Eindruck, als wolle Rose sie mit diesen Worten prüfen oder herausfordern und antwortete selbstbewusst und ungeahnt dessen zu wissen, was auf sie zukommt: „Doch Rose, ich möchte diese Zeremonien mit dir zusammen machen und von dir lernen.“ Und nun saß sie da, im Schneidersitz, mit Muskelkater von den 108 Niederwerfungen vom gestrigen Abend und schaffte es wieder nicht, sich auf ihre „Atemschaukel“ am Bauchnabel zu konzentrieren und mit einem Kopf voller Gedanken, der sie scheinbar auch noch verhöhnte.

 

Marie: 'Was ist das? Was lässt mich atmen?'

Maries Ego: 'Na ich, was für eine dumme Frage.'

Marie: 'Nein, du nicht. Du bist bloß mein Ego, hat Rose gesagt.'

Maries Ego: 'Mir ist langweilig. Ich will jetzt was anderes machen. Was soll das überhaupt, hier herum sitzen und atmen. Reine Zeitverschwendung.'

Marie blieb tapfer und konzentriert sich auf ihre Atemschaukel: 'Was ist das? Ich weiß es nicht.'

Maries Ego: 'Was ist was?'

Marie: 'Was lässt mich atmen?'

Maries Ego: 'ICH bin das und falls du noch mal

fragen willst, wer deinen Samen sähte, es waren

deine Eltern. Ich will jetzt aufstehen, mein Bein tut

weh und ich habe Hunger.'

 

„Schnauze“, herrschte Marie ihr Ego an, allerdings

tat sie das laut in den Raum hinein und erschrak

darüber fürchterlich. Peinlich berührt schielte sie

zu Rose herüber. „Entschuldigung!“.

 

Rose war mittlerweile aus ihrer Versenkung in den

Raum zurück gekehrt, schlug den kleinen Gong

und lächelte Marie verständnisvoll an.

 

 

„Marie, du bist sehr tapfer. Sieh mal, du machst das

schon den dritten Tag und ich muss sagen, ich

bin wirklich erstaunt und stolz auf dich. Habe Geduld.

Es ist wirklich noch kein Zen Meister vom Himmel

gefallen, soviel ich weiß. Es dauert eine Weile und es

bedarf regelmäßiger Praxis, in die Stille und die Leere

zu finden. Ich habe damals in dem Kloster von dem

ich dir erzählte, genauso dagesessen wie du und

wäre am liebsten schreiend davon gelaufen.

Die Sinne zu beherrschen und den Geist fließen zu lassen, ist keine Übung die man schnell mal erlernt und besonders nicht in heutiger Zeit, wo dem Klick des Zeigers an der Uhr mehr Bedeutung beigemessen wird als dem Herzschlag und dem Atem, die uns das Leben und unser physisches Werk ermöglichen. Du machst das prima und nun komm lass uns etwas essen, bevor dein Ego wieder meckert. Es hat sich ja schließlich heute schon sehr um Mäßigung bemüht. Dann muss man es auch mal loben und belohnen. Es hat es ja auch nicht so einfach im Moment“, fügte sie schmunzelnd hinzu und verneigte sich wie immer dem Fenster zugewandt, dem Tag, dem Licht, der Welt und der Schöpfung entgegen.

 

 

Von Zaubernüsschen, die schießen können

 

 

Die Tage wurden wieder heller und das Licht stibitzte der Dunkelheit merklich an jedem neuen Tag ein winziges Bisschen Zeit. Der Schnee, der das Land und die Bäume in ihrem sanften Schlaf umhüllte, zog langsam seine weiche Decke weg um das was unter ihm lag, von dem wiederkehrenden Licht sanft aus dem Schlaf kitzeln zu lassen und um Neugier und frischen Tatendrang zu wecken für ein neues Jahreswerk.

 

Aufgeregt stürmte Marie mit beinahe quietschender Stimme in die Küche in der Rose eines ihrer köstlichen Speisen herzauberte und nebenbei Brot und Kuchen bug.

„Rose, da blüht was! Da, da blüht ein Busch, strahlend gelb und dabei liegt noch Schnee auf den Ästen. Ich habe es selbst gesehen. Das kann doch gar nicht sein. Es ist ja gerade erst Februar.“

Aufgeregt mit großen Augen und ihrem Reisigbesen in der Hand,, sah Marie Rose an und wartete auf eine Erklärung oder der Verheißung eines Wunders.

Rose musste lachen. Der Anblick von Marie war einfach zu drollig. „Marie, du bist einfach entzückend, wenn du etwas Neues entdeckst und es macht dich so liebenswert. Zu beobachten wie du alles, wie ein Wunder erfährst und erlebst, ist wirklich herrlich. Und nun kleine Hexe stell mal den Besen in die Ecke, sonst fliegt er noch weg mit dir. Langsam ziehe ich in Betracht, das du das fertig bringen würdest mit deiner Energie. Hier wackeln ja die Töpfe.“

„Ja aber, es stimmt. Ein Busch voll behangen mit lauter seltsamen Blüten, die wie Haare oder Fäden aussehen und sie duften herrlich.“

„Die Zaubernuss ist erwacht, Marie. Es ist die Zaubernuss. Ein Vertreter der, so wie sie nenne, Winterspezialeinheit.“

„Zaubernuss? Winterspezialeinheit? Bitte erkläre mir das. Kann sie denn zaubern die Zaubernuss?“

„Du kennst sie schon. Aber nur in Form von meinen Tinkturen, Ölen und von deiner Spezialcreme, die dir mit den kleinen Pikelchen hilft. Ein anderer Name ist Hamamelis.“

„Das ist der Hamamelis? Das ist ja wunderbar und wie wunderschön“, rief Marie voller Entzücken. „Komm Rose, lass ihn uns zusammen anschauen und erzähle mir alles über ihn oder sie. Zaubernuss gefällt mir eigentlich besser vom Namen her. Und was meinst du mit Winterspezialeinheit? Komm Rose!“

Rose stellte, wissend das sie der Sache nicht entkommen würde, geduldig den Topf vom Feuer und zog sich ihre Gartenstiefel an, schmunzelte vor sich hin und dachte: 'Ja, ja die Natur stürmt in den Frühling hinein und Marie tut es ihr gleich. Wahrscheinlich war Stravinskys Muse für sein „Le Sacre du Printemps“ auch so ein Mariechen.'

 

Als Rose, wie beauftragt, im Garten am

Zaubernussbüschlein erschien, wartete

Marie dort bereits ungeduldig, jedoch

Form, Farbe und den Duft der

wundersamen Blütchen studierend, auf sie.

 

„Bereitest du die Tinkturen und die Salben

aus den Blüten zu Rose?“

„Nein, ich nehme dafür die feinen Zweige

und die Blätter. Aus den Blüten bereite ich

ein Heilwasser mit der Destille zu. Ich liebe

den Duft nämlich auch sehr und benutze

es dann als Erfrischungswasser.“

„Oh, das ist ja toll. Machst du mir bitte auch

so ein Wasser? Der Duft ist einfach

wunderbar.“

„Nein, das mache ich nicht!“, erwiderte Rose

mit gespielt ernster Mine und verschränkten

Armen.

Marie reagierte prompt und entschuldigte

sich sofort. „Ich weiß Rose. Du hast im

Augenblick viel Arbeit. So wichtig ist es ja nicht.“

„Doch es ist so wichtig! Du möchtest es haben und du sollst es bekommen aber ich würde vorschlagen, du machst das alleine.“

Mit offenem Mund und glänzenden Augen stotterte Marie: „Ich soll das machen. Alleine. Mit deiner heiligen Destille?“

Rose zwinkerte nur und nickte. Marie hüpfte ungebremst auf sie zu, umarmte sie leidenschaftlich und beide gerieten beinahe ins Wanken. „Danke schön! Oh ich bin so aufgeregt. Ich verspreche dir, ich bin ganz vorsichtig. Ich hab dir ja schon so oft zugesehen."

Rose erzählte über die Heilkräfte, die Herkunft und die botanischen Besonderheiten der Zaubernuss und den Pflanzen, die sie als Winerspezialeinheit bezeichneten, wie zum Beispiel die Mistel, den Huflattich, den Efeu, Winterlinge oder das Gänseblümchen, die entweder im Winter Früchte tragen, gedeihen und wachsen oder noch in sehr kalter und dunkler Zeit ihre Blütenköpfchen heraus strecken. Rose endete mit einer kleinen Geschichte.

„Und noch etwas macht die Zaubernuss ganz besonders, Marie. Stell dir vor, sie kann schießen. „Ich saß mal da drüben im Sommer und lass ein Buch.“ Rose zeigte auf einen Grasfleckchen unweit der Obstbäume. „Das ist ja nun ein ganz schönes Stückchen entfernt vom Zauberstrauch. Ich hörte hin und wieder ein seltsames Knachen, ähnlich eines kleinen Knalles. Ich wunderte mich zwar und konnte es auch nicht zuordnen, ging der Sache aber nicht nach. Das Buch war zu spannend. Plötzlich traf mich etwas an der Stirn und viel auf die Seiten des aufgeschlagenen Buches. Ich hob es auf und erkannte zwei Samen. Dann traf mich noch so ein Geschoss. Ich blickte auf und sah wie von dort angezogen direkt zum Zauberstrauch und hörte von dort herkommend ein kleines Kichern. So ging ich herüber um zu fragen, warum ich denn beschossen werde. Am Strauch angekommen, hörte ich ein fröhliches Stimmchen. „Guck mal! Peng!“ Im gleichen Moment öffnete sich eine der Früchte und eben zwei Samen flogen meterweit über den Rasen. Die Pflanzen zeigen gerne was sie so können und ganz besonders jenen, die sie lieben und schätzen. So wie das Büschlein dir heute mit voller Stolz und zu deiner Freude seine ersten Blüten dar bot. Eben so wie ein kleiner Zauber. Und nun komm, wir bauen die Destille zusammen auf . Den Rest kannst du ganz alleine.“

Ein Schicksalstag
oder
Wie das Leben seine Wege knüpft




Der Frühling war da! Überall rekelte und streckte es sich. Das Erdreich brach auf und frische Triebe und Blätter kämpften sich durch die Dunkelheit ans wärmende Licht. Die aufgewärmte Luft flickerte und erste Zitronenfalter tanzten in sanften Brisen.
Marie flickerte auch und war kaum zu bremsen in ihrem Eifer die frisch erwachte Natur zu bewundern und zu erkunden. Sie streifte oft schon nach Sonnenaufgang durch den Wald und über die duftenden Wiesen. Hermes begleitete sie dabei meistens und sehr gerne. Seine neuen und ihm unverhofft auf erlegten Vaterpflichten, hatten ihn anfangs einfach überfordert und ihm Angst gemacht. Er wusste einfach nicht, was er mit diesen kleinen Dingerchen machen sollte. Etwas stolperig jedoch stets bemüht wuchs er in seine Vaterrolle hinein und Lilly half ihm mit liebevollem Rat, falls er mal nicht weiter wusste und dabei war, die Nerven zu verlieren. Von Tag zu Tag verschaffte er sich mehr Ansehen und Respekt vor seinen Sprößlingen und wurde sogar von einem der drei Miniwirbelwinde, die die gesamte Hausgemeinschaft entweder entzückten (alle außer Schnuggel) oder verärgerten (Schnuggel), bewundert. Herzchen, der seinen Namen einer herzförmigen Fellzeichnung auf seiner Stirn verdankte, bewunderte seinen Vater sehr und tat ihm, sogut er konnte, alles gleich. Hermes erfüllte das mit großem Stolz. Obwohl es ihm zuweilen lieber wäre, seinen kleinen Schatten, der ihm auf Schritt und Tritt folgte, auch mal los zu werden, ertrug er Herzchens Anhänglichkeit geduldig und mit sehr viel Liebe im Herzen.

Auch darum waren ihm die frühen Spaziergänge mit Marie besonders wertvoll. Hier konnte er einfach nur Hermes sein, Dinge für sich tun und seinen Gedanken und Erinnerungen an Vergangenes nachhängen. Zum Beispiel der Erinnerung daran, wie er damals, nach der Entdeckung seines „Weihnachtsgeschenkes“, aus seiner Ohnmacht erwachte.

Lilly versuchte ihn vergeblich mit leisem Rufen zu erwecken. Mehr konnte sie nicht tun, sie säugte ja die Jungen und konnte sich nicht bewegen. Er sprang panisch auf und jaulte wie von Sinnen Lilly an: „Was sollen wir denn jetzt bloß machen?“
Lilly blieb entspannt liegen und versuchte ihn mit ihrer zärtlichen Stimme zu beruhigen. „Eltern sein. Das sollen wir machen. Du brauchst doch gar nichts zu tun. Die Kleinen wollen doch erst einmal nur etwas von mir. Aber du könntest mir mal helfen. Ich möchte mir kurz die Beine vertreten. Kannst du dich für einen Augenblick hier hin legen und aufpassen?“
„Ja, natürlich Lilly aber was soll ich denn machen?“, hechelte er nervös.
„Gar nichts! Leg dich einfach nur hier hin und wärme sie ein wenig.“, instruierte Lilly behutsam.
„Na gut.“ antwortete er völlig verunsichert und legte sich neben die Jungen auf die Decke. Lilly stand auf und streckte ihre etwas steif gewordenen Beine. „Ach das tut gut!“
Kaum war Lillys wärmender Körper mit dazugehöriger Nahrungsquelle verschwunden, wurden die Kleinen unruhig und fiepten leise. Jedoch entdeckten sie rasch mit Hilfe ihrer natürlichen Schutzinstinkten, das in der Nähe bereitgestellte Wärmereservoir, nämlich ihn - Papa Hermes. Die kleinen Dingerchen nutzen sofort die Chance und krabbelten zu ihm herüber.
„Lilly, Hilfe! Komm wieder zurück. Die kommen zu mir und der eine versucht mich zu beißen.“ Nichts von Lilly zu hören. Sie war schon weg. Er hechelte panisch und bekam Schnappatmung. 'Ruhe bewahren alter Junge. Das schaffst du. Die sind ja viel kleiner. Oh meine Güte, wenn ich eins kaputt mache. Lilly bringt mich um. Ganz ruhig liegen bleiben und nicht bewegen.', jaulte er aufgeregt vor sich her. So verharrte er nun, versteinert wie eine Sphinx und wartete ungeduldig auf Lillys Rückkehr. Indes hatten es sich die Jungen in seinem weichem Fell gemütlich gemacht. Sie fipsten auch nicht mehr, nach dem sie ihn, ohne Erfolg, nach einem Quell von fließenden Milch durchsucht hatten und schliefen langsam ein. Und auch er beruhigte sich langsam und seine Muskeln entspannten sich. Seine Angst etwas Falsches zu machen flaute ab. Er spürte die drei kleinen warmen Körperchen, die sich ganz tief in sein Fell gekuschelt hatten und bemerkte, dass das alles eigentlich gar nicht so schlimm war. Er drehte langsam seinen Kopf und betrachtete die, genauer gesagt seine, schlafenden Jungen. Ein seltsames Gefühl kribbelte und pochte in der Gegend seines Herzens und eine tiefe Wärme durchströmte ihn und genau wie am Tage seiner Namensernennung gebar und schenkte ihm seine Seele einen tiefen Stolz und das Gefühl die Welt umarmen zu wollen und er lächelte ein liebendes Licht auf seine Jungen und auf die in diesem Moment zurück kehrende Lilly.
Ja, so war es damals an diesem aufregenden Tage.


Marie saß im Grase mit ihrem Kräuterbuch, ein Heiligtum, welches ihr Rose am 6. Januar dem Ende der Rauhnächte als Geschenk und als Anerkennung für ihr Durchhaltevermögen während der Zeremonien überreichte und studierte ein blau blütriges Pflänzchen, welches sie als den Ehrenpreis erkannte, als sie aus der Ferne kommend Hermes sehr aufgeregtes Bellen wahrnahm.

Sie horchte besorgt auf. Er schien sie zu suchen und etwas sehr Ernstes schwang in seinem Rufen. So als würden unsichtbare Kräfte ihr Aufstehen beschleunigen wollen, sprang sie auf und rief Hermes um ihm ihre Position mitzuteilen. Sie sah ihn über eine Böschung aus dem Wald stürmen, ließ alles stehen und liegen und rannte ihm entgegen. Sogar ihr heiliges Kräuterbuch überließ sie der Obhut des Ehrenpreises. Irgendetwas war nicht in Ordnung. In ihren Bauch drangen Wellen von Gefahr und Not und forderten sie dringlich zur Eile auf.

Hermes sah sie heran eilen, blieb dort stehen wo er stand, drehte sich aufgeregt und bellte nervös. Ein Zeichen, sie solle schnell machen. Als Marie ihn erreichte, rannte er zurück in den Wald und drehte sich immer wieder um, um ihr zu signalisieren ihm schnell zu folgen. Marie rannte kreuz und quer durch das Dickicht, dem aufgeregten Hermes hinterher.
Als sie endlich völlig zerkratzt am anderen Ende eines schier undurchdringliche Walles aus Stechpalmen und jungen Tannen ankam, sah sie Hermes jaulend auf einem scheinbar leblosen Körper herumspringen. Er leckte und knuffte den widerstandslosen Menschen unter sich und drehte sich besorgt Marie zu.
Keine Zeit war zu verlieren. Marie rüttelte den Mann der vor ihr lag und versuchte Puls und Atem ausfindig zu machen. Sie stemmte seinen Oberkörper hoch und klopfte Lunge und Herz ab. Marie machte endlich eine winzige Bewegung und einen schwachen Puls aus.
„Hermes! Hole Rose! Beeile dich!“, rief sie Hermes mit vollstem Vertrauen auf sein Verstehen in die Augen und Hermes rannte los.
„He sie, wachen sie auf! Was ist den geschehen?“ Marie war verzweifelt, versuchte aber beherrscht zu bleiben und hoffte auf das baldige Erscheinen von Rose. Immer wieder klopfte sie Gesicht, Rücken, Brust und Arme des Mannes und versuchte ihn zu erwecken.
Da! Plötzlich hörte sie ein leises Stöhnen und verstärkte ihre Bemühungen.

„Sie, wachen sie auf! Ich bin bei ihnen!“ Sie öffnete seine Augenlider und rief in die weit geöffneten Pupillen. „Man, kommen sie zurück! Kommen sie zu mir. Ich bin da!“

Endlich! Ein kleines Blinzeln. „Oh, Gott sei Dank!“ fuhr es erleichtert aus Marie heraus und sie schleifte den ohnmächtigen Mann an die nahe gelegenen Birke, setzte ihn aufrecht an ihren Stamm und hielt ihn fest damit er nicht umkippte.
Plötzlich öffneten sich die Augen des Mannes und er schaute direkt in Maries wasserblaue Iris und in die unendlichen Weiten ihrer Pupillen, lächelte und grüßte Marie höflich mit einem leisen und schwachen „Guten Morgen!“ und fiel sofort wieder in Ohnmacht.
„Ja, ihnen auch einen schönen guten Morgen!“ grüßte Marie zurück und sprach mit sich allein, weil ihr Gegenüber sie nicht mehr hören konnte. "Ja, warum nicht? Liegt hier halb tot im Wald herum, grüßt aber höflich. So viel Zeit muß scheinbar sein. Das kann auch wieder nur mir passieren."
Endlich hörte sie eilende Schritte und Geraschel im Hintergrund. Hermes war zurück und mit ihm kam Rose.
Rose untersuchte den Mann geübt und untersuchte die nahe Umgebung. Da wo Hermes und Marie den Mann fanden, entdeckte sie zwei Flaschen Whysky und ein Glas ohne Inhalt auf dem „Veronol“ stand. Sie rannte zurück und schlug ihm kräftig ins Gesicht. Er wurde wieder wach. In einer unheimlichen Geschwindigkeit und mit Kraft, die Marie unerklärlich schien, packte Rose den Mann, riß ihn auf die Knie, vergrub ihre linke Hand in seinem Haar, riß seinen Kopf in die Höhe und steckte ihm zwei Finger ihrer rechten Hand in den Mund. Sie brüllte ihn an und auch Marie. „Schrei Marie, tritt ihn, beiß ihn. Er darf nicht wieder einschlafen.“ Marie tat wie ihr geheißen und schlug auf den ohnehin schon schlaffen Körper, was ihr im Herzen leid tat, doch die Notwendigkeit war groß.
Endlich übergab er sich kräftig, doch Rose blieb beharrlich und steckte ihm im immer wieder und wieder ihre Finger in den Mund, zwang ihn Wasser zu trinken und wiederholte die etwas brutale Prozedur ihn zum Erbrechen zu bringen, erneut.


Es war bereits Nachmittag als an Rose Blick, ihrer Mimik und ihrem Tun zu erkennen war, das die größte Gefahr vorüber war. Sie sank erschöpft ins Gras und legte den Kopf des armen Geschöpfes schützend in ihren Schoß. Marie hätte gerne etwas für Rose getan, doch auch sie war völlig erledigt und setzte sich Rücken an Rücken mit Rose. So konnten sie sich wenigstens gegenseitig stützen.

Rose ließ dankbar ihren Kopf auf Maries Schulter sinken und atmetet laut und erleichtert auf. „Ich denke, wir haben es erst einmal geschafft, Marie. Ruh dich ein wenig aus und dann laufe zu Jacob und bitte ihn zu kommen und uns zu helfen. Ihn heim zu tragen, schaffe ich nicht mehr.“
„Mach ich!“ keuchte Marie, “ich gehe gleich los. Nur ein paar Minuten.“
Rose suchte rückwärts tastend Maries Hand, fand sie und drückte sie ganz fest. „Das hast du gut gemacht, Marie! Ich bin so stolz auf dich. In dir steckt wirklich eine Heilerin.“

 

 

 

Von einer Nacht, die noch viel dunkler war,
als ihr unumstrittenes Wesen



Rose und Marie wachten am Bett des Unglückseeligen. Rose war besorgt und beobachtete die in unregelmäßigen Abständen heftigen Krämpfe des Mannes. Jedes mal, wenn sie ihn plötzlich heim suchten, fing mit ihm das Bett an zu vibrieren. Das ganze Zimmer schien wie in einem Sog gebannt. Er bäumte sich auf, zitterte und stöhnte und fiel danach in eine kationische Starre. Rose sagte immer wieder: „da stimmt etwas nicht.“ Sie salbte den Armen mit Ölen aus Lavendel, Johanniskraut und anderen Kräutern und wusch seinen schweißgebadeten Körper mit Kräuterwässern.
„Was meinst du damit, Rose? Was stimmt nicht.“, fragte Marie.
„Beobachte ihn, beobachte den Raum! Was empfindest du, wenn er diese Anfälle bekommt?“, gab Rose Marie zu bedenken.
Marie spürte nach, dachte nach. „Ich mache mir dann große Sorgen. Ich habe so etwas noch nie gesehen und weiß nicht, was ich tun soll.“
„Was spürst du?“, blieb Rose behaarlich.
„Mir wird immer ganz kalt und ich habe einen sonderbaren Druck und ein starkes Stechen im Bauch. Ich bekomme Gänsehaut und es macht mir Angst.“, beschrieb Marie ihr Gespür.
„Wenn es noch einmal passiert, beobachte was du davor, dabei und danach wahr nimmst. Schreibe es auf!“, wies Rose die sorgenvoll drein blickende Marie an.
Und plötzlich war wieder diese sonderbare Kälte im Raum. Marie spürte eine Art Luftzug auf ihrer Haut, so wie man ihn spürt wenn jemand ganz nahe an einem vorbei geht. Der Raum war um die mitternächtliche Stunde nachtgetränkt, doch schien er plötzlich noch dunkler zu werden. Die Kerze fingen an zu flackern und wie durch einen unsichtbaren Hauch, erlosch sie. Im selben Moment begannen die nicht zu bändigenden Krämpfe des Mannes. Er wand sich, zitterte, stieß schreckliche Laute aus und stöhnte.
Als er sich wieder beruhigte, verließ Rose den Raum mit den Worten. „Mach alles wie gehabt. Ich muss nachdenken.“
Geraume Zeit später kam sie mit Mantel und Stiefeln bekleidet zurück ins Zimmer. „Ich muss jemanden um Rat fragen, Marie. Es ist dringend!“
„Rose, bitte geh nicht fort! Ich weiß doch gar nicht was ich machen soll, wenn es ihm wieder so schlecht geht.“, bat Marie flehentlich.
Rose schaute tief in Maries ängstliche Augen und in ihr von Sorge gezeichnetes Gesicht. Sie streichelte liebevoll Maries Kopf und gab ihr, was sie noch nie getan hatte, einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. „Du schaffst das! Tue alles was du hier machst mit der ganzen Kraft deines Herzens. Hülle das arme Ding ein mit deiner Liebe. Er braucht sie mehr als alles andere. Mehr kann ich im Moment auch nicht für ihn tun. Ich weiß, du schaffst das! Ich werde mich beeilen. Doch vor morgen Mittag werde ich nicht hier sein können. Ich gehe jetzt zu Jacob. Er muss mich in die Stadt fahren. Es ist eine weitere Reise.“ Mit diesen Worten ließ sie Marie mit dem krampfenden und schreienden Mann mit entsetzlicher Sorge und Tränen in den Augen allein und eilte in die Nacht hinaus. Hermes wollte mit ihr gehen doch Rose bat ihn auf Marie und das Haus zu achten.

Die Nacht war klar und die vom Frühling mit neuem Leben und Erwachen getränkte Luft, erfrischte und reinigte Rose verwirrte Gedanken. 'Voodoo, schwarzer Voodoo, das muss es sein. Nein verdammt, das ist es. Ich habe diese Schwingungen schon einmal erlebt, damals in Nigeria. Es fühlte sich genauso an und es war eine ähnliche Präsenz. Ich muss Erzulie befragen.'
Rose hatte Marie absichtlich nichts von ihrer Vermutung erzählt. Sie wollte sie nicht noch mehr verunsichern. Sie sprach ein paar Schutzgebete und heilsame Mantras für die zwei Wesen, die sie schutzlos in ihrem Haus zurück lassen musste. Tränen füllten ihre Augen bei dem Gedanken, welcher Gefahr sie Marie aussetzte. Sie hielt inne, wollte zurück gehen. „Nein, ihr Herz ist rein und voller Liebe. Ihr wird nichts geschehen. Sie hat nur Angst vor der Verantwortung und nicht vor dem was sie eigentlich bedroht und das ist gut so! Ich muss Hilfe holen.“ sprach sie entschlossen in die Nacht hinein. Sie spürte, dass sie nicht alleine war. Etwas folgte ihr und war ganz und gar nicht darüber amüsiert, das Rose dessen Pläne durchkreuzte und einer „todsicheren Sache“ eine unerwartete Wendung gab. Rose hielt abermals inne und erspürte diese kalte Präsenz, die aus weiter Entfernung versuchte ihrer habhaft zu werden und sie zu beschwören. Rose atmete tief, lächelte und dachte mit gezielter Konzentration dieser Präsenz entgegen: 'Na, da scheine ich ja auf der richtigen Fährte zu sein.' Sie schien nicht nur schnell zu denken sondern auch schnell zu gehen, denn schon waren in der Ferne die Nachtlaterne und der rauchenden Schornstein von Jacobs Haus zu sehen.

 

 


Weißt du noch...



Marie saß auf der Bettkante kühlte, dem Fiebernden die Stirn und summte leise vor sich hin. Sie hatte das Gefühl, dass das Summen ihn bei seinem letzten Anfall beruhigte. Er schien es irgendwie wahrzunehmen und seine Krämpfe ebbten schneller ab als bei den vorigen Malen. Eigentlich hatte sie nur angefangen zu summen und leise zu singen, weil sie völlig überfordert mit der Situation, nicht anfangen wollte zu weinen.
‚Seltsam‘, dachte sie. ‚Jetzt scheint er so friedlich zu schlafen und dann braust er auf, als sei er von einem Dämon besessen.‘
Marie betrachtete sein Gesicht, was sich im Schein der Kerze sanft von seinem schweiß getränkten schwarzem Haar abhob. Es war ein schönes Gesicht, vollkommen symmetrisch mit charismatischen männlichen Konturen.Jedoch zeichneten die Augenbrauen, der leichte Schwung der Wangenknochen, seine schlanken Lippen die in ein ausdrucksstarkes Kinn mit einer kleinen Mulde in der Mitte mündeten, weiche Linien in dieses klare Männergesicht.
Marie richtete sein Kopfkissen und berührte dabei sein Haar. Es war ganz fein und bildete trotzdem einen starken und üppigen Schopf. Sie wusste nicht warum, aber sie spürte plötzlich den unwiderstehlichen Drang, daran zu riechen und beugte sich ganz vorsichtig über den schlafenden Mann. Sie schnupperte am Haar und hatte das Gefühl, einen vertrauten Geruch wahrzunehmen. Einen Geruch, den sie mochte und sie versuchte sich zu erinnern, woher sie ihn kannte. Langsam richtete sie sich wieder auf.
„Endlich“, flüsterte der Mann und lächelte in die Seele, der sich aus seinem Haar erhebenden und leicht erschrockenen Marie.
„Endlich bist du da. Ich habe überall nach dir gesucht und dich so sehr vermisst. Endlich sehe ich dich wieder.“, flüsterte der Mann mit stockendem Atem.
„Was meinen sie? Sie haben sicher geträumt. Wir kennen uns doch gar nicht. Ich heiße Marie.“
„Hallo Marie. Weißt du noch damals in Stonehaven? Wir haben uns versprochen, uns immer zu lieben und das wir uns wieder finden. Und jetzt haben wir uns gefunden.“, hauchte er mit anscheinend all seiner Kraft.
Marie war verwirrt: „Nein, wirklich wir kennen uns nicht. Sie müssen mich verwechseln.“
Doch der Mann sprach nicht mehr zu ihr. Er wurde wieder unruhig, wandte seinen Kopf hin und her und fing an in einer anderen Sprache zu reden. Dieses Mal war es eine Art Englisch mit einem starkem Akzent. Marie hatte in dieser Nacht bereits Arabisch, Spanisch und eine fremde Sprache, die sie nicht zuordnen konnte gehört. Sie salbte seine Arme und seine Brust mit dem Kräuteröl und rezitierte das OM MANI PADME HUM Mantra, dass sie in den Zeremonien während der Rauhnächte von Rose gelernt hatte. Mehr konnte sie einfach nicht tun, was sie schier verrückt machte. Jedoch konnte ein Schutz- und Heilungsmantra auf jeden Fall nicht schaden.
So ging die Nacht mit viel zu langen Stunden in einen grauen und nebligen Morgen über. Marie war tot müde und strafte sich mit Vorwürfen, weil sie schon zwei Mal eingeschlafen war. Sie schlich sich leise aus dem Zimmer, um sich einen starken Kaffee aufzubrühen und um die Hunde und Katzen zu versorgen.
Marie wärmte ihre steifen und kalten Finger an der Gasflamme des Herdes und setzte den Kessel auf. Sie beschloss ein wenig im Garten auf und ab zu gehen, um in der Frische des Morgens etwas Kraft in sich hinein zu atmen. Das tat gut, doch als der Kessel leise anfing zu pfeifen, eilte sie in die Küche. Um keinen Preis wollte sie den schlafenden Mann aufwecken. Sein Schlaf war ihr zwischen den Krämpfen und Halluzinationen mittlerweile heilig geworden, denn auch sie konnte sich erst wieder entspannen, wenn er in ihn fiel. Alles dazwischen war für die zart besaitete Marie eine reine Seelenfolter und Grausamkeit. Sie hasste es, ihn so leiden zu sehen. Obwohl die Abstände zwischen seinen Anfällen gegen Morgen endlich länger wurden, fürchtete sie in jeder Minute, die sie seinen Schlaf bewachte, sein Erwachen.
Sie goss sich einen Kaffee auf, aß schnell ein Stückchen trockenes Brot und eilte zurück in das Krankenzimmer. Der Mann schlief ganz ruhig und so versuchte Marie sich im gemütlichen Lehnsessel, ihrem Wachposten, zu entspannen und war in Gedanken bei Rose und in der Hoffnung, sie möge bald wiederkommen.

 



Erzulie und Mama Mambo



Marie erwachte durch ein sanftes Rütteln an ihren Schultern und erkannte bereits bevor sie die Augen öffnete, die gute Rose an ihrer hellen und wärmenden Aura.
Erschrocken und schuldbewusst stob sie auf. „Oh nein, ich bin eingeschlafen“ und schaute mit kummervollem Blick zum Krankenbett hinüber.
Rose legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Es ist alles gut, Marie. Danke das du hier Wache gehalten hast. Du bist sicher sehr müde und solltest jetzt schlafen. Aber vorher möchte ich dir noch jemanden vorstellen. Komm mit in die Küche.“
Aus der Küche kommend, nahm Marie einen seltsamen Tumult, eine laute und klangvolle Stimme und von Zeit zu Zeit ein bebendes Lachen war. Von Rose war Marie ja nun Sanfteres gewohnt und diese Schwingungen die sich sehr präsent im Haus ausbreiteten, schüchterten sie ein wenig ein. So ging sie Schutz suchend langsam hinter Rose her, war aber trotzdem neugierig, was sie dort in der Küche wohl erwartete.
„Ach nein, was für ein entzückendes Ding. Du bist also klein Hexe Marie. Rose, ach Gott ist die süß! Komm mal her Marie, komm in Mama Mambos Arme!“
donnerte Mama Mambo der eingeschüchterten Marie entgegen, die sich immer noch hinter Rose versteckte. Doch keine Chance, Mama Mambo wartete nicht erst bis Marie zu ihr in die Arme kam, sondern kam gleich selbst herüber und vergrub Marie in ihrem üppigen Busen und unter ihren starken Armen.
„Ach so ein reines Herz. Da hört man ja die Engelein singen.“ Sie nahm Maries verwirrtes Köpfchen in die Hände, was aufgrund akutem Luftmangels höchste Zeit wurde für Marie, sprach seltsame Worte in einer fremden Sprache und segnete Marie. Marie immer noch nach Luft schnappend, dankte Mama Mambo höflich und grüßte auch den lachenden Jacob, dem die Szene scheinbar gut gefallen hatte.
„So, erzählen Marie. Wie war Nacht? Mama Mambo genau erzählen was geschehen ist mit Mann. Aber erst geht Erzulie gucken, ob noch lebt“ Rose und Mama Mambo verließen die Küche. Marie schaute fragend zu Jacob herüber und schnaufte aus.
„Wer, wer ist denn das?“, fragte Marie den immer noch schmunzelnden Jacob.
„Das ist Mama Mambo oder Erzulie. Sie ist eine sehr erfahrene Voodoo Priesterin. Sie kommt von Haiti.“
Marie fuhr es wie ein Donner durch die Gedärme und beinahe hysterisch brachte sie mit aufgerissenen Augen gerade mal „Voodooooo... was soll das denn???!!!“ heraus.
Jacob blieb gelassen, setzte sich an den Tisch und goss sich eine Tasse Kaffee ein. „Komm, setzte dich zu mir Marie. Du weißt nicht viel über Voodoo, oder?“
Marie setzte sich Hilfe suchend direkt neben Jacob. „Das ist doch schwarze Magie, nicht wahr?“
Jacob legte behütend einen Arm um Marie. „Nein, das ist nicht wahr. Du kennst wahrscheinlich nur solche Schauergeschichten von Puppen und Nadeln, Verwünschungen, Blut und toten Hühnern. Das ist nicht die Wahrheit über Voodoo. Man vermutet, dass diese Kultur schon über 12 000 Jahre alt ist und von den Yorubas, einem afrikanischen Stamm, der den alten Pharaonen in Ägypten diente, gelebt wurde. Dieses Volk verließ Ägypten und wanderte bis nach Südwestafrika in die Gegend des heutigen Benin und Nigeria. Die Yoruba verehrten die Natur und Voodoo ist eigentlich nichts anderes als eine alte afrikanische Kultur, Religion und Heilkunst. Mambos so wie Mama Mambo sich nennt sind Priesterinnen, die sich auf die Heilkunst verstehen. Ein wesentlicher Teil dieser Heilkunst ist auch die Trancearbeit. Mama Mambo arbeitet in Trancen mit Erzulie, einer Göttin oder wie sie im Voodoo genannt werden Loa zusammen. Sie fährt in sie und hilft Mama Mambo bei dem Erkennen und Heilen von Krankheiten.  Aber sie arbeiten genau wie Rose und du mit Kräutern und fein-stofflichen Energien. Rose und Mama Mambo können dir darüber später sicher noch viel mehr erzählen.“
„Ja aber stimmt das mit den Puppen und Flüchen denn jetzt gar nicht. Ist das so ähnlich wie hierzulande die Leute Angst vor Hexen haben?“
„Doch Marie, es gibt immer auch das andere von weiß. Ein sehr spezieller und verantwortungsvolle Teil der Arbeit von Mambos ist der Exorzismus und das Kurieren von beschrieenen Menschen. Du musst wissen, dass es auch Priester gibt, die schwarz magisch arbeiten. Soviel ich weiß, werden sie Bocor genannt. Traditionell sind sie meistens in Geheimbunden vereint und so eine schwarz magische Verwünschung wird eigentlich nur im Bund besprochen und trifft Verbrecher, Vergewaltiger, Mörder und Diebe. Es ist eine sehr verantwortungsvolle Entscheidung. Denn was dem einen schadet, kann heildend für andere sein und umgekerrt. Es mag schwer für uns in westlichen Kulturen sein, so etwas nachzuvollziehen, obwohl die Grausamkeiten die in unseren Kulturkreisen begangen wurden und werden nicht wirklich weniger brutal waren und sind. Denke alleine an Jesus. Wir verwehren uns gegen Satan und lassen ihn durch unser Handeln gewähren. Das ist auch nicht viel besser.
Im Voodoo gibt es aber wie in allen Kulturen auch schwarze Schafe, die schwarzmagisch praktizieren und Verfluchungen aussenden. Sie lassen sich solche Arbeiten meistens gut bezahlen und das ist ganz sicher nicht im Sinne des Voodoo. Und dann gibt es natürlich auch einfach nur böse Charaktere, die aus Hass, Neid, Eifersucht oder Missgunst und meist mit einer gehörigen Portion Dummheit und Naivität solche Dinge tun. Doch du weißt ja wie es ist Marie. So etwas kommt immer schnell zu einem zurück und die Saat ist ja bekanntlich immer kleiner als das Resultat. Aber nun trinke erst einmal einen Kaffee mit mir. Mama Mambo wird dir sicher alles erzählen. Sei einfach aufgeschlossen und habe keine Angst. Du kannst sicher viel von ihr lernen“, sprach Jacob und eine kleine verwirrte Marie sank etwas beruhigter und völlig übermüdet in die Lehne ihres Stuhles.

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Bittere Pillen

 

 

Darius saß am Bett eines Patienten, den er bereits gut kannte. Herr Herrmann war schon des Öfteren sein Patient gewesen. Auch er war früher Mediziner und wenn er nicht gerade behauptete, dass das gesamte Personal, die Station, im Eigentlichen die gesamte Klinik ihm unterstehe und Darius als „Grünschnabel“ beschimpfte, unterhielt er sich recht gern mit ihm. „Herrmännchen“ wie er liebevoll vom Pflegepersonal genannt wurde, hatte in lichten Augenblicken nämlich so einiges zu erzählen.
Früher war es, laut Hermännchen, wesentlich besser bestellt gewesen um die Medizin. Es ging einfach um den Menschen und weniger um Geld und Wirtschaftlichkeit. Da konnte man noch stolz sein auf seinen Beruf und war nicht wie die meisten Kollegen in heutiger Zeit ein medizinisch geschulter Buchhalter. Auch er hatte viel Wissen um die Heilpflanzen und erzählte Darius von spektakulären lebensrettenden Maßnahmen mit sehr einfachen Mitteln in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Da hatte man ja nichts. Von so etwas hatte er, also Darius, ja sowieso keine Ahnung. Er sei ja wahrscheinlich schon mit Gummihandschuhen auf die Welt gekommen, vermutete Herr Herrmann.

Eine Schwester kam herein, um Herrn Herrmann die Mittagsmedizin zu bringen. „Ach der Doktor ist ja da, dann kann er ihnen ja die Medikamente geben“ flötete sie und beeilte sich die Tür von außen zu schließen. Verständlicherweise denn Herrmännchen hatte überhaupt kein Interesse seine Medikamente zu nehmen und es war stets eine aufreibende Sache, ihn davon zu überzeugen.
Darius nahm das Töpfchen mit den Medikamenten und Herrn Herrmanns Hand. Von einem Doktor ließ sich der alte Mediziner das gerade noch gefallen. Bisschen Ahnung hatte Doktor Schön ja schließlich.

Schon während des Gespräches war Darius aufgefallen, das Herr Herrmann auffällig zitterte. In früheren Aufenthalten hatte er, wenn er aufgeregt war, gewiss einen leichten Tremor aber dieses Zittern war durchgehend und neu. So hielt Darius mit einer Hand die Hand von Herrn Herrmann und mit der anderen ein Glas Wasser. Fünf Pillen lagen in der zitternden Hand. Eins wusste Darius genau. Nur vier hatte er verordnet.
„Moment Herr Herrmann, ich glaube da stimmt was nicht. Ich prüfe das einmal und bin gleich wieder zurück.“

Darius nahm die Tabletten aus der zitternden Hand und ging damit zu den Schwestern.
„Sabine, zeigst du mir mal bitte den Medikamentenplan von Herrn Herrmann?“
„Ja sicher. Wieso stimmt etwas nicht?“, fragte Schwester Sabine.
„Es ist eine zu viel und ich möchte das prüfen“, antwortete Darius schroff.
Sabine holte pflichtbewusst und zugleich schuldbewusst die Akte von Herrn Herrmann aus dem Reiter.
Darius fand die Dokumentation der verschriebenen Medikamente mit seiner Unterschrift, doch in der letzten Zeile der Tabelle war etwas hinzugefügt worden, Oxacytan, 3 mal täglich, 100 mg.
„Was ist das?“, wollte Darius wissen.
„Keine Ahnung, das musst du doch wissen?“, antwortete Sabine nervös.
„Ich will die komplette Liste der in den letzten 4 Wochen ausgegebenen Medikamente meiner Patienten sehen, und zwar noch heute!“, ordnete Darius an und verließ wütend das Medikamentenzimmer.
„Ja ist gut, mach ich fertig.“, rief Sabine ihm verwirrt hinterher. Darius kam wutentbrannt noch einmal zurück und verlangte die Packung des suspekten Medikamentes Oxacytan. Sabine überreichte ihm eine weiße unbedruckte Schachtel mit einem Aufkleber, der lediglich den Namen und die 100 mg-Angabe des Medikamentes hergab.

Es war nichts zu finden über das fragwürdige Medikament, weder im DAB noch in anderen Listen. Da kam ihm eine Idee. Der Streit mit seinem Chef vor seinem Urlaub war ausgelöst durch zwei neu eingeführte Medikamente der Firma Morck Pharma & Chemical. Er nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer des Vertreters der Firma aus seinem Visitenkartenmäppchen.
Er hatte Glück am anderen Ende wurde abgehoben, nur stelle sich eine Dame mit dem Namen Gruber vor, auf der Visitenkarte stand Herr Felix Todewald.
Frau Gruber stellte sich ausführlich vor und erklärte, dass sie seit Kurzem die Aufgaben von Herrn Todewald übernommen hätte, da dieser sehr plötzlich aus dem Unternehmen ausgeschieden sei.
Darius versuchte im Smalltalk das Vertrauen von Frau Gruber zu gewinnen und erwähnte zwischen langen Arbeitszeiten und seinem Lieblingsessen das Wort Oxacytan. Frau Gruber hatte es plötzlich eilig und musste zu einem Termin. "Nein, das Medikament kenne sie nicht."

Er rief Kollegen und verschiedene Institutionen an, doch niemand kannte Oxacytan. Unter des klopfte es an seiner Tür und Sabine kam mit den angeforderten Medikamentenplänen herein.
Darius traute seinen Augen nicht. Sechs von seinen zwölf Patienten hatten in unterschiedlicher Dosis das Medikament auf ihrem Plan. Genau diese sechs Patienten hatten ausnahmslos schwere Krankheitsbilder mit ausgeprägten Symptomatiken ohne klaren Bewusstseinszustände, Psychosen und Schizophrenien.

Darius öffnete das Fenster. Er glaubte zu ersticken in diesem Raum, am liebsten wäre er hinausgerannt. Doch es klopfte erneut an seiner Tür.
„Moment bitte!“, rief er dem Klopfer entgegen, eilte zum Waschbecken, öffnete den Kaltwasserhahn und wusch sich Gesicht und den schweißnassen Nacken. Er ging zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand sein anscheinend gut gelaunter Chef und lachte ihm entgegen. „Was machst du denn da drinnen. Meditierst du?“
Darius sah ihm ernst in die Augen: „Nein. Ich habe telefoniert. Komm bitte her rein.“
„Gut das du wieder da bist Darius. Die Arbeit am Patienten ist nichts mehr für mich. Ich bin einfach zu alt für dieses Narrentheater. Aber ich habe dich hoffentlich ausreichend in den Visiten vertreten. Du siehst gut aus Junge. Hast dich scheinbar gut erholt. Ein paar Sachen wollte ich mit dir klären. Hast du Zeit für mich?“
„Ja ich habe Zeit für dich und ich möchte auch ein paar Sachen mit dir klären. Als allererstes, was ist Oxacytan?“ Darius schmiss ihm die Fakepackung entgegen. Professor Grätzler nahm die Packung in die Hand und suchte mit nervösem Blick nach passenden Worten der Erklärung. „Ach nichts weiter. Nur eine kleine Studie. Da brauchst du dich nicht drum zu kümmern. Das ist in meiner Hand“, banalisierte er hastig.
„Da werde ich mich sehr wohl drum kümmern, da sechs meiner Patienten dieses Medikament täglich zu sich nehmen und ich es nicht verschrieben haben. Also noch einmal. Was ist Oxacytan und warum nehmen meine Patienten dieses Medikament?“
„Mein Lieber, ich habe hier immer noch das Sagen und wie gesagt. Es ist nicht wichtig“, versuchte Professor Grätzler sich zu behaupten.
WAS IST OXACYTAN?“, brüllte Darius seinen Vorgesetzten an und sprang von seinem Stuhl.
„Ich glaube, du wärst besser noch eine Woche länger weggeblieben. Du bist immer noch so aufgeregt. Überfordert dich die Arbeit?“, versuchte er Darius zu verunsichern.
„Du wirst mir jetzt sagen, was das für ein Medikament ist! Ansonsten erklärst du es der Klinikleitung und der Staatsanwaltschaft“, ging Darius entschlossen aufs Ganze.
Gesicht und Hals von Professor Grätzler wurden plötzlich rot und seine Halsschlagader fing sichtbar an zu pulsieren.
„Darius, es ist ein gutes Medikament. Was regst du dich so auf? Es steht kurz vor der Patentierung. Ich habe die verantwortliche Aufgabe übernommen in kleinen Test in vitro zu probieren. Es besteht überhaupt keine Gefahr. Die Patienten reagieren kaum darauf oder gar nicht.“
„Du benutzt meine Patienten als Versuchskaninchen für ein noch nicht patentiertes Medikament?“ Darius stand fassungslos vor seinem Vorgesetzten, dem Mann, dem er immer vertraut hatte, der ihm half diesen Job zu bekommen und ihn beriet. "Du bist erledigt!“
Professor Grätzler stand nun ebenfalls auf. „Bedenke mein Lieber, in den Akten stehen deine Unterschriften und nicht meine.“ und grinste feindselig.
„Ja mein Lieber aber nicht auf meinem, sondern auf deinem Konto sind dann wohl dubiose Zahlungen von Unterkonten die zur Firma Morck zurückzuverfolgen sein werden, zu finden. Wie viel haben sie dir dafür bezahlt?“ erwiderte Darius mit zielsicherem Blick direkt in die Pupillen seines Gegenübers und schüttelte fassungslos den Kopf.
Grätzler verließ das Büro mit den Worten: „Ich wäre vorsichtig an deiner Stelle!“
Keine Zeit war zu verlieren. Darius wusste, dass mit den Pharmafirmen nicht zu spaßen war. Er suchte eilig in den Schränken nach den Dokumenten und Akten, die ihm vor seinem Urlaub suspekt vorkamen und von denen er meinte, dass sie manipuliert worden waren. Da entdeckte er in einem der Hängeschränke ein seltsames Objekt. Es war eine kleine Tafel aus Metall auf der seltsame Symbole eingeritzte waren. Er nahm die kleine Tafel in die Hand und betrachtete sie. Plötzlich verschwammen die Zeichen vor seinen Augen, er fühlte einen dumpfen Schmerz in seinem Kopf und ihm wurde schwindlig. Er steckte die Tafel in seine Hosentasche, schnappte sich alles, was er für wichtig hielt, Akten, den manipulierten Medikamentenplan, die weiße Schachtel und die Pillen von Herrn Herrmann und eilte in die nächste Polizeiwache. „Ich möchte Anzeige erstatten, wegen Amtsmissbrauch Dokumentenfälschung und Bestechung.“

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